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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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vergewissern. Nicht daß mir ihre Fortschritte gleichgültig waren, doch das war nicht der wahre Grund für meine Gastfreundschaft. Sarah kam seit einiger Zeit recht spät nach Hause, und wenn man ihr glauben konnte, lag das an dieser verfluchten Bestandsaufnahme, die sie zu solch ungehöriger Stunde noch festhielt.
    - Wenn das so weitergeht, verlange ich eine Gehaltserhöhung, findet ihr nicht …?-, was eine glatte Lüge war. Die Bestandsaufnahme war ein Typ von der Sorte Schönling, genau die Sorte, die mir überhaupt nicht gefiel, worüber ich mich aber mit ihr zu diskutieren weigerte, weil mich diese Geschichten mittlerweile auf die Palme brachten und ich an den Einzelheiten nicht interessiert war.
    - Aber wenn ich mit dir nicht darüber reden darf, mit wem soll ich denn darüber reden …?
    - Herrgott …! Du bist doch nicht verpflichtet, über solche Dinge zu reden …!
    Diese neue Liaison unterschied sich insofern von allen anderen, als sie sich von Beginn an durch einen hemmungslosen Rhythmus ausgezeichnet hatte, der mit nichts, was wir bislang erlebt hatten, auch nur annähernd zu vergleichen war. Im allgemeinen sah Sarah zu, daß ihr Sexualleben weder störende Bedeutung erlangte noch unerquicklich wurde oder gar die Atmosphäre zu Hause unerträglich vergiftete. Mit der Zeit war es ihr gelungen, ihre Bedürfnisse relativ diskret zu befriedigen, so daß ihre Ausflüge nicht mehr ständig Anlaß zu Auseinandersetzungen mit Richard boten. Mag sein, daß es verschiedene Arten gibt, zur Tür hinaus zu gehen, vielleicht auch eine Möglichkeit, daß es gar nicht danach aussieht.
    Da ich nicht die geringste Information bezüglich dieser Affäre zu dulden geruhte, wußte ich nicht, was tatsächlich vorging. Ich kannte weder die intimen Maße noch die Gepflogenheiten ihrer neuen Eroberung. Sarah indes schien den Kopf verloren zu haben, zumindest war es das erste Mal, daß sie einem dieser Typen mehrere Abende nacheinander gewährte. Offen gestanden, das Ganze gefiel mir nicht sonderlich. Und eine Frage ließ mir keine Ruhe: Nutzte sie nur die günstige Gelegenheit, gestattete sie sich dieses Extra an Freiheit, weil sie wußte, daß die Kinder bei mir waren, oder hätte sie auf jeden Fall so gehandelt …?
    Ansonsten kam sie zwar spät zurück, aber immerhin, sie kam, was ihrer Inventurgeschichte – wenn man zudem bedachte, daß die beiden anderen den Kopf voll hatten – einen Anstrich von Glaubwürdigkeit verlieh. Und sollten sie doch nicht darauf hereinfallen, so zeigten sie es zumindest nicht, und ich wollte die Hoffnung nicht aufgeben, daß Sarah zur Besinnung kam und vor dem Abschluß der Prüfungen wieder zu mehr Zurückhaltung fand.
    Einstweilen war sie mir zu einigem Dank verpflichtet. Ich ersparte es ihr, sich allzuviel Sorgen um ihre Kinder zu machen, ich erlaubte es ihr, mit ruhigem Gewissen davonzuflattern. Früher hätte ich einem Kerl, der ihr eine schöne Zeit verschaffte, bereitwillig die Hand geschüttelt, ich mochte es, wenn sie glücklich war, und ich hörte mir ihre Seufzer mit gerührter Miene an, wenn sie mit zwei, drei herzergreifenden Worten rausrückte, aber diese Zeiten waren vorbei, und ich wußte nicht, wie ich es angestellt hatte, ich wußte nicht, wie ich mich in einem solchen Maße hatte ändern können. Wie dem auch sei, ich zeigte ihr die kalte Schulter und mied ihre Gesellschaft – was sie, nebenbei gesagt, nicht sonderlich zu stören schien, ich hätte nicht einmal beschwören können, ob sie überhaupt irgend etwas merkte –, ich zog es vor, mich von ihr fernzuhalten, so sehr ging mir ihr Verhalten auf die Nerven, im Ernst, man hätte mitunter schwören können, sie sei vollkommen durchgedreht. Ich lachte höhnisch, wenn ich ihren verwirrten Blick auffing. Ich sagte ihr nicht, sie arbeite zuviel, ich bedauerte sie nicht, wie es mitfühlende Seelen eilfertig tun, ich verkniff es mir, sie zu fragen, ob ihr Hengst ihr womöglich bis ins Hirn gedrungen war.
    Die Nächte ließen lang auf sich warten. Eines Abends tanzten Bernie und Harold an, und ich war vom Sex – vor allem dem der anderen – dermaßen erledigt, daß ich Harold fast erwürgte, ich nutzte den Augenblick, den wir allein in der Küche waren, und würgte ihn mit einer Hand. Anschließend entschuldigte ich mich. Er schnitt immer noch Fratzen und hielt sich die Kehle, und ich bat ihn, er möge es mir nicht übelnehmen, ich sagte ihm, es tue mir leid, daß ich dermaßen altmodisch sei, und danach hielt er still. Auch

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