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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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sich verteilten und hinter einer lockeren Leinwand in Schwingung gerieten. Ich wußte, daß das die Trikots der Mädchen waren, und auch, daß die Luft stillstand und ein Basketballspiel vor mir ablief, aber ich sah etwas ganz anderes. Diese bizarre Erscheinung amüsierte mich schließlich, zumal das Bild eines gewissen Charmes nicht entbehrte und etwas von dem Schauder hatte, den eine willkommene Brise unter blühenden Ginstersträuchern hervorgerufen hätte.
    Plötzlich konnte ich wieder normal sehen. Und ich war darüber nicht böse, denn das Spiel konnte jeden Moment beginnen, die Mädchen starrten einander feindselig an und brannten darauf, sich zu bekämpfen. Ich gähnte unauffällig, noch ganz aufgewühlt von meinem Wunder, als mir Hermann seinen angewinkelten Ellbogen in die Rippen knallte.
    - Verdammt nochmal, siehst du ihn …?!! stieß er mit dumpfer Stimme hervor.
    Ja, ich sah ihn im gleichen Moment, ich wußte, daß er es war, bevor ich ihn erkannte, und einige Sekunden lang sperrte ich den Mund auf.
    - Was treibt der da …?! fügte Hermann hinzu.
    - He, wer ist denn der Typ da oben …? fragte Dolbello. – He, Max …!! rief ich und stand auf.
    Er war auf diese Art Dach geklettert, das die Ränge auf der anderen Seite des Platzes überschattete, er war urplötzlich da aufgetaucht, seine Gestalt stach gegen den Himmel ab, jetzt, da er sich ziemlich nah am Rand aufrichtete. Er trug einen dunklen Anzug und ein Hemd, das mir unglaublich weiß vorkam und mehr als alles andere in die Augen sprang. Die Leute auf unserer Seite des Platzes zeigten mit dem Finger auf ihn. Fünfzehn Meter tiefer blickten die beiden Teams zum Himmel.
    Erneut rief ich seinen Namen, während ringsum die Unruhe wuchs, weil ein jeder anfing, Fragen zu stellen, aber er schien mich nicht zu hören. Ich war zu weit entfernt, um seinen Gesichtsausdruck zu erkennen, aber ich wußte, er würde springen, und diese Gewißheit lahmte mich.
    Er trat einige Schritte vor, näherte sich mit baumelnden Armen der Leere. Seine Haltung ließ keinen Zweifel, Laute, aufgeregte Schreie ertönten, als sein Schatten auf dem Platz erschien. Aus seinem zugeknöpften Jackett blitzte das blendende Weiß seines Hemdes, und mein einziger Gedanke war, er könnte es dreckig machen oder sogar zerfetzen, und diese dumme Vorstellung war mir sogleich unerträglich, aber ich schaffte es nicht, sie aus meinem Kopf zu verjagen.
    Ich hörte vertraute Stimmen um mich herum. Ich begriff kein Wort von dem, was sie sagten, und auch die Hand, die sich an meinen Arm klammerte, vermochte ich nicht zuzuordnen, und ich blinzelte gegen das Licht. Die Zeit sauste davon, doch der Sekundenzeiger auf der Uhr rückte tröpfchenweise voran. Max stand genau über ihr. Die Leute gerieten in Bewegung. Niemand blieb auf seinem Platz. Mehr als jedem ändern schnürte sich mir die Kehle zusammen, aber ich rührte mich nicht vom Fleck. Es war sinnlos, irgend etwas zu versuchen, es war nichts zu machen.
    Er schaute kein einziges Mal in meine Richtung. Er hatte den Kopf leicht nach vorn geschoben. Aus den Zuschauerrängen stieg inzwischen ein starker Geruch auf, die Menge stank, je mehr die Spannung wuchs, ein saurer Schweiß, eine Mischung aus Schrecken und Aufregung, die aus der drückenden Schwüle sickerte, während Max mechanisch ein letzte’s Mal prüfte, ob seine Beinkleider schicklich saßen.
    Ein Aufschrei schlug ihm entgegen, als er von seinem tristen Podest purzelte, entsetzlich langsam, ohne ein einziges Wort hervorzustoßen, ohne auf heroische Art abzuspringen, er kniete sich einfach ins Leere. Er ruderte im Fallen weder mit den Armen noch mit den Beinen, er fiel wie ein Paket und prallte auf den Rand des Spielfelds.
    Im gleichen Moment setzte ich über die Leute hinweg, stürzte nach unten, fegte wie der Blitz über den Platz und kam gerade noch rechtzeitig. Er lebte noch. Keuchend beugte ich mich über ihn, während die Neugierigen von allen Seiten herbeiströmten. Er lag auf dem Rücken, Blut floß aus seinen Ohren und seiner Nase, er hatte die Augen offen und sein Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt. Ich kauerte mich neben ihn, aber ich hatte ihm nichts Bestimmtes zu sagen. Ein undurchdringlicher Wald von Beinen umgab uns, zog sich nach und nach enger zusammen wie wuchernde tropische Pflanzen.
    So daß ich schließlich von der vordersten Reihe umgestoßen wurde, bevor ich mir Gehör verschaffen konnte. Ich legte eine Hand auf den Boden und rappelte mich auf. »He, Was soll

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