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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Neugier eines Mädchens.
    - Und was ist das …? Eine Art Geheimnis …? Ich lächelte sie meinerseits an, ich beruhigte sie:
    - Nein, aber ein gutes Beispiel … Weißt du, das ist eines Tages über mich gekommen, als ich ein Buch ausgelesen habe, ich weiß nicht mehr genau, wie alt ich war, aber sehr alt war ich noch nicht, ich trug noch kurze Hosen, und dieses Buch war Moby Dick. Das war nicht einmal die vollständige Ausgabe, stell dir vor, aber ich erinnere mich, ich habe mein Hemd aufgeknöpft und mit geschlossenen Augen das Buch an meiner Haut gerieben. An diesem Tag habe ich Schriftsteller werden wollen, und noch am gleichen Abend habe ich mein Gebet geändert in Allmächtiger Gott, ich bitte dich um nichts anderes, aber tu mir die Liebe und mach einen Schriftsteller aus mir, alles andere ist mir egal, aber mach einen Schriftsteller aus mir! Und ich habe wie besessen Moby Dick an meine Brust gepreßt, unter meiner Schlafanzugjacke, und verdammt nochmal, mein ganzes Bett hat angefangen zu zittern, das schwör ich dir …
    - He, sag mal, das ist toll …!
    - Na sicher, und von diesem Moment an habe ich an nichts anderes mehr gedacht, ich habe geduldig gewartet, bis meine Stunde schlug … Aber es verging kein Tag, an dem ich nicht über meinen Wunsch nachgedacht habe, an dem ich ihn nicht wie eine Wunderlampe gestreichelt habe. Und eines schönen Tages dann saß ich an einer Schreibmaschine, meine Bücher verkauften sich, und mein Name stand in der Zeitung, und ich habe gemerkt, daß ich halb verrückt wurde und daß Franck mich satt hatte und daß ich ein erbärmlicher Vater war. Da habe ich begriffen, daß ich einen schweren Fehler begangen hatte, weil ich mich nicht um den Preis geschert hatte. Dieser Preis war viel zu hoch für mich. Ich hatte bekommen, was ich wollte, aber plötzlich erschien mir das nicht mehr wichtig. Ganz davon zu schweigen, daß ich meine Inspiration verloren hatte, naja, aber das steht auf einem anderen Blatt … Ohne mich aus den Augen zu lassen, brachte sie eine kleine, rosige und spitze Zunge zum Vorschein und fuhr damit seelenruhig über den Rand eines Umschlags. Ich machte es ihr nach. Wenn wir in diesem Tempo weitermachten, würden wir noch in zwei Tagen daran sitzen.
    - Pah, aber das ist Schnee von gestern …! fügte ich mit einem schmerzstillenden Lächeln hinzu. Das ist mir eine Lehre für das nächste Mal.
    Wir beschlossen, uns ein wenig ins Zeug zu legen. Es war schon spät, und sie wollte fertig sein, wenn Hermann zurückkam. Sie machte sich wirklich Sorgen um ihn. Ihre Gefühle für Hermann spönnen ein seltsames Band zwischen ihr und mir. Ich betrachtete sie ohnehin mit besonderem Interesse, denn sie wußte Dinge über mich, die für mich unerreichbar waren, und dieses Geheimnis faszinierte mich. Ich hatte nicht sehr oft die Gelegenheit, mit ihr allein zu sein, aber es machte mir stets Vergnügen. Die Gesellschaft eines Mädchens von achtzehn Jahren, dazu noch der Freundin meines Sohnes, war mehr als genug, um mich zufriedenzustellen.
    - Ah, ich hoffe, die kommen trotzdem nicht zu spät zurück, seufzte sie und fächerte sich Luft zu.
    - Komm, mach dir keine Sorgen … Solange er arbeitet, denkt er wenigstens nicht an andere Dinge.
    - Ah, da kennst du ihn schlecht … Er ist zu beidem fähig!
    Ich starrte sie einen Augenblick über meine Brille hinweg an, dann machte ich mich wieder an meine Arbeit. Ich fragte mich, wie sie sich einbilden konnte, sie kenne ihn besser als ich.
    - Verflixt, setzte sie von neuem an, ich hätte Lust anzurufen, um zu hören, wie es läuft …!
    - Atme tief durch. Entspann dich. Mach deinen Kopf leer.
    - Hör mal, mach dich nicht über mich lustig … Ich weiß nicht, wie du so ruhig bleiben kannst, ehrlich, du verblüffst mich!
    - Schon gut. Ruf an, wenn du willst …
    Sie rührte sich nicht, während ich weiter wirkte. Einen Moment lang befürchtete ich, sie wolle mich sitzenlassen und losziehen, um auf der Stelle nachzusehen, ob alles in Ordnung war, denn das juckte ihr unübersehbar in den Fingern.
    - Nein, du hast recht, seufzte sie. Ich bin lächerlich. Aber einfach so sitzen, ohne etwas zu tun …
    - Eben, du solltest dich wieder an die Arbeit machen. Es ist noch ein hübscher Batzen übrig …
    - Brrr …! Das ist, als müßte man seine Richter einberufen … Ich räkelte mich lachend:
    - He, biste immer noch nicht fertig …?!
    Sie kritzelte ein paar Adressen. Dann warf sie erneut einen Blick auf ihre Uhr.
    - Erzähl mir lieber von

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