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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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zuvor hatte ich ein derart schlaffes Schweigen zwischen uns erlebt. Wassertropfen rannen mir über den Hals, aber ich hätte schwören können, das war der Abdruck dieser elenden Stille.
    Ich erkannte sogleich, daß der Moment gekommen war, mich meiner Last zu entledigen. Meine Hände schlössen sich sanft um den Rand des Spülbeckens, ich kniff die Augen zusammen und mein Mund verzog sich zu einem grausamen Lächeln, während sie mich weiter ignorierte.
    - Soso … du fragst mich also nicht, wie ich ihn finde …?! raunte ich ihr im Ton einer Giftschlange zu.
    - Nein, antwortete sie.
    - Verdammt und zugenäht, ich finde ihn ekelhaft … .! sagte ich.
    Damit ging ich zufriedenen Schritts von dannen.
     
    Als sich der Sommer einnistete, befiel mich ein leichtes Herzstechen. Ich sagte nichts, aber ich fürchtete den Moment, da Hermann seine Koffer packen würde. Das war ziemlich neu für mich, jedenfalls neu genug, um mir ein wenig Weltschmerz einzuflößen und mich daran zu erinnern, wie betrüblich es war, zu zweit eine Familie zu bilden. Dieser letzte Punkt setzte mir mehr zu als alles andere. Die Zerbrechlichkeit des Gebäudes wurde mir schmerzlich bewußt, und ich wußte wohl, daß diese Ferienzeiten nur die Generalprobe für den endgültigen Zusammenbruch waren. Wiederholt fragte ich mich, wie ich es angestellt hatte, in eine solche Situation zu geraten. Das war eines meiner Lieblingsthemen, wenn ich anfing zu grübeln. Und seine volle Bedeutung würde es erst an dem Tag erlangen, an dem er für immer fortging. Ein heftiger Schauder der Verlassenheit erfaßte mich bei dieser Vorstellung, aber ich suchte mich dem nicht zu entziehen. Ich bildete mir ein, es sei besser, darauf vorbereitet zu sein. Je eher man das Ausmaß und die Absolutheit seiner Einsamkeit erfaßt, um so besser fährt man.
    Sie hatten noch nicht entschieden, wohin sie verreisen wollten, aber von Zeit zu Zeit redeten sie darüber und prüften verschiedene Angebote, die sie da und dort hatten, Freunde, die ein Haus besaßen, oder welche, die mit einem ganzen Bündel guter Adressen ins Ausland düsten. Einstweilen hatten sich Hermann und Richard zu Laufburschen in der Fondation verdingt. Sie waren direkt zu Marianne marschiert und hatten ihren Charme spielen lassen, dessen unwiderstehliche Wirkung sie gern noch unterstrichen, und zum Beweis hatten sie ihr Büro mit einem Job in der Tasche wieder verlassen. Wenn man sie hörte, bekam man den Eindruck, ihre Aufgabe bestehe darin, den lieben langen Tag durch die Gegend zu radeln, was mir so schön erschien, daß ich Marianne gesagt hatte:
    - Ah, wozu noch lang suchen … Das ist der richtige Job für mich!
    Leider hatte sie dem nicht stattgegeben.
    Jetzt, da sie ihre Prüfungen hinter sich hatten – nur Richard war mit einem Schnitt von 6,5 durchgerasselt –, leisteten sie sich alle drei eine strahlende Miene. Hermann schlief kaum noch wegen seiner Proben, von den Nächten ganz zu schweigen, die Gladys in seinem Bett verbrachte, aber trotz alldem war er groß in Form. Gladys stopfte ihn mit Pulver von portugiesischen Austern und Azerolatabletten voll, die er morgens verschlang, sobald er die Augen aufschlug, anschließend, kaum war er die Treppe hinuntergestiegen, hörte man ihn vor sich hin pfeifen oder in die Hände klatschen, so daß Elsie und ich uns fragten, ob sie nicht des Guten ein wenig zuviel tat, nun ja, wenigstens hatte er noch keine roten Flecken im Gesicht.
    In diesem Jahr hatte er ein paar kleinere Rollen gespielt -Beckett, Ghelderode, Edward Albee –, aber kein Vergleich mit dem, was in den nächsten Tagen auf ihn zukam. Es war mir nicht gestattet, bei den Proben zuzusehen, alles spielte sich – bis auf das wenige, das er mir darüber erzählte – in größter Heimlichkeit ab. Richard und Gladys wichen nicht von seiner Seite. Ich wußte nicht so recht, was sie trieben, ob sie ihm den Nacken massierten, darauf achteten, daß er sich bloß keinen Schnupfen holte oder seine Kostüme wegräumten, jedenfalls hatten sie an seiner Aufregung teil, und nachts um Punkt eins hörte man sie heimkommen, alles andere als müde, und wenn ich mich ans Fenster stellte, sah ich, wie sie erst im Wagen, dann auf dem Bürgersteig miteinander quatschten, schließlich verlegten sie das in den Garten, mit anderen Worten: ich brauchte mich nicht zu beeilen, ihnen die Tür aufzumachen. Das ging so weit, daß nicht einmal mehr von Vincent Dolbello die Rede war.
    - Och, der …? Keine Ahnung …. antwortete

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