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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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wieder losgerauscht. Elsie war noch nicht zurück, sie war zu irgendeinem ihrer Dinners in der Stadt, und ich hatte einen Zettel vorgefunden, auf dem sie mir erklärte, der Kerl sei hellrosa und schmerbäuchig, selbst auf einer einsamen Insel etc. So daß wir allein waren, Gladys und ich, nur mit diesem Packen auf dem Schoß.
    Eigentlich hatte ich es mir bequem gemacht, um Musik zu hören, aber nach der Hälfte des ersten Satzes (Andante comodo) hatte ich sie stöhnen hören, und nachdem ich sie eine Weile beobachtet hatte, beschloß ich, ihr zu Hilfe zu eilen. Es ist gar nicht so einfach, einen Moment im Leben zu finden, in dem man ungestört Mahlers Neunte hören kann – und wenn doch, dann stach Karajan alle aus –, vor allem, wenn man grausam gehalten ist, sich vierzig Stunden in einem Büro reinzuziehen. Aber sie erregte Mitleid mit ihrem Berg von Umschlägen und all diesen Adressen, die sie abzuschreiben hatte, von den Briefmarken ganz zu schweigen. Ich hatte meinerseits leise gestöhnt, dann war ich aufgestanden und hatte ihr gesagt, ich mache mit.
    - Dan, was meinst du, wie lange brauchen wir …?
    - Länger, als du glaubst …! sagte ich erblassend, während ich einen der Umschläge untersuchte. Schade, daß das keine selbstklebenden sind …
    Sie machte uns zwei Schalen Mu-Tee – den hatte sie im Haus eingeführt, ebenso die Getreideplätzchen und die Tamarisken, sie hatte eine eigene kleine Ecke in einem Küchenschrank, eine Kollektion von Fläschchen und Pillen –, und sie bestand darauf, daß ich ihn trank, solange er noch heiß war. Ich hatte nichts dagegen, wenn uns das Kräfte verlieh. Zudem fand ich nicht mehr wie am Anfang, daß der Trank nach Maggi schmeckte, allmählich gewöhnte ich mich daran.
    Die Nacht war lau und sanft, eine Sommernacht mit dem Knistern der Insekten im Garten und dem fernen Geräusch der Automobile. Ich spürte das junge Blut, das in ihren Adern floß, den perfekten Mechanismus ihres Körpers, die straffe Elastizität ihrer Haut, und ich wurde von einer Rührung ergriffen, die jener gleicht, die einen beim Anblick einer Quelle befällt. Ich dachte an all die Hoffnungen, all die Wünsche, die in ihr waren, und ich erinnerte mich, wie einfach mir das Leben erschien, als ich in ihrem Alter war und angefangen hatte, mit unbesiegbarem Feuer meine ersten Erzählungen zu schreiben, und wie fern das alles war.
    - Du, Dan, ich möchte so sehr, daß das klappt …! sagte sie und schob mir einen dicken Stoß Umschläge zu.
    - Mmm, das werden wir bald wissen.
    Sie verschränkte die Arme und starrte zum Fenster hinaus, während ich zu schaffen begann.
    - Stimmt es, daß man etwas nur wirklich wollen muß, damit es eintrifft …?
    - Puh, ich weiß nicht recht, was ich darauf antworten soll … Ja und nein.
    - He, komm, ich möchte, daß du mir das sagst …!
    - Meine Güte, du bist lustig …! Ich bin mir wirklich nicht sicher, weißt du … Vielleicht kommt man zuweilen in den Genuß eines Glückstreffers … Das heißt, was mich betrifft, ich habe mir gewisse Dinge im Leben gewünscht …
    - Aber wirklich gewollt …?!
    - Ja, sehnlichst, wenn dir das lieber ist. Und einige darunter -beruhig dich, die kann man an einer Hand abzählen –, wie dem auch sei, einige sind in Erfüllung gegangen, andere nicht. Es ist schwierig, eine Theorie darüber aufzustellen. Andererseits, um auf deine Frage zu antworten, ich glaube, das kann klappen, wenn man bereit ist, den Preis dafür zu zahlen … Ganz gleich, wie hoch er ist. Leider kann man da nie im voraus Bescheid wissen. Weißt du, so ungefähr ist es mir passiert, ich spreche von einer Erfahrung, die ich selbst gemacht habe. Glaub mir …. es ist besser, etwas nicht zu sehr zu wollen. Das heißt, wenn du nicht anders kannst, dann rate ich dir, nicht nur einen Wunsch zu haben und dich daran zu halten. Normalerweise müßte das funktionieren. Nur ist das gar nicht so einfach, und merk dir, es ist schon viel, wenn man ein halbes dutzendmal erhört wird … Du solltest gut auswählen, wenn du mich fragst. Aber vergiß nicht, daß es keinen gibt, von dem man sagen kann, das ist der Weg.
    -Verflixt, ich hätte mir denken können, daß du alles durcheinanderbringst … Das ist doch schrecklich!
    - Pah, weißt du … Es geht um den großen Irrtum meines Lebens, versetz dich in meine Lage. Ich gebe zu, daß ich auf diesem Gebiet schnell ins Schleudern gerate …
    Bei diesen Worten schaute sie mich amüsiert an. Nichts ist feinfühliger als die

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