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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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hört.
    Das Haus war menschenleer, als ich ankam. Hermann und seine Bande mußten irgendwo in der Stadt hängen, vor Sorge vergehen, obschon er mir an diesem Morgen nicht gequälter vorgekommen war als in den letzten Tagen auch. Wir hatten verabredet, uns direkt im Theater zu treffen, ich hatte ihn fast in Hochform erlebt, als wir gemeinsam frühstückten, und obwohl wir über nichts geredet hatten, hatte ich so etwas wie die Möglichkeit gerochen, daß sich der Wind in den kommenden Stunden drehen konnte. Ich hoffte, ich hatte mich nicht getäuscht und alles würde gutgehen, während ich, eine Hand auf dem Geländer, über die Treppe in mein Schlafzimmer stiefelte. Marianne hatte mich den Tag über nicht zur Ruhe kommen lassen. Je mehr sie sich damit beschäftigte, Bücher herauszugeben, um so mehr füllte sich mein Büro, der Stapel mit den Manuskripten erreichte bereits den unteren Rand des Fensters. Bei dem Tempo, in dem sie hereinkamen, gab ich mir keine zwei Monate mehr, dann war ich vom Tageslicht abgeschnitten. Es sah so aus, als wollte mich die Literatur auf die eine oder andere Weise um die Ecke bringen.
    Ich streckte mich auf meinem Bett aus, über eine Stunde blieb ich reglos liegen, die Augen aufgerissen, dann merkte ich, daß der Abend nahte, und ich stand auf und machte mich langsam ausgehbereit, dabei pfiff ich And the Band Played Waltzing Matilda. Ich fühlte mich weniger vergnügt, als wünschenswert gewesen wäre, um auch das zu sagen. Irgendwie fürchtete ich mich vor dem Abend, und das wegen dieser beiden Trottel, ihre Hoffnungen waren mir nahegegangen, und ihre Zweifel hatten sich so tief eingegraben, daß ich vor dem Spiegel nicht lächeln konnte. Wo immer sie in diesem Moment waren, ich verfluchte sie.
    Ich entspannte mich erst, als Elsie eintraf und sich zurechtmachte, sie kleidete sich vor meinen Augen an und erzählte mir dabei von ihrem Tag, dem ich jedoch, nebenbei bemerkt, nur ein halbes Ohr widmete, da ich mich weitaus mehr auf ihre duftigen Dessous konzentrierte, kaum geneigt, mich ablenken zu lassen, wenn mir eine Frau das ungeheure Schauspiel ihrer Waschungen bot. Meines Erachtens hätte sie auf die Bühne steigen müssen, da hätte ich mir keine Sorgen machen müssen, keine Sekunde hätte ich gezweifelt, daß dröhnender Beifall den Saal erfüllen würde. Ich hielt still, damit wir nicht zu spät kamen. Ich schaffte es nicht, mich an den Gedanken zu gewöhnen, daß Elsie mit mir zusammenlebte, ich hatte in der Tat den Eindruck, daß da irgendwo ein Irrtum vorlag und daß eines Tages jemand dahinterkommen und mich beim Allmächtigen anzeigen würde wie einen gemeinen Dieb, wie einen Schuft, der sich einen aus feinem Gold genähten Mantel angeeignet hat. Mir war bewußt, daß meine Stunden gezählt waren, aber es fiel mir schwer, dieses fürchterliche Ende allzeit präsent zu haben, ich tat so, als vergäße ich es, und stellte mir vor, ich ritte auf einem Wunder, woraufhin ich mich lächerlich und zutiefst niedergeschlagen fühlte, selbst wenn sie sich an mich schmiegte und fragte, was denn los sei, selbst wenn sie mir Sachen zuflüsterte, die einen vom Hocker hauten.
    Ich sah sie an und versuchte mir all diese Bilder einzuprägen, ich mühte mich mit aller Kraft. Ich bedauerte es ungemein, daß ich mich dem nicht ausführlicher hingegeben hatte, als ich mit Franck zusammenlebte, nicht daß ich mir das versagt hätte, aber ich hatte mich wahrscheinlich nicht genügend darauf versteift, ich hatte sie nicht in dem Bewußtsein betrachtet, daß sie eines Tages nicht mehr da sei, und ich hatte Angst, daß ich den gleichen Fehler mit Elsie machte, daß ich mich mit einer Flut von verblassenden Bildern abquälen mußte, daß mir nichts mehr blieb, meine alten Tage zu erhellen, als ein Haufen flüchtiger Erinnerungen, löchrig wie ein Sieb.
    Ich bestand darauf, daß wir noch ein Glas tranken, bevor wir aufbrachen. Ich wußte nicht, ob das Stück auf die Schnauze fallen würde, aber eines war sicher: ich würde mit dem schönsten Mädchen der Welt am Arm dort aufkreuzen. Darauf genehmigte ich mir gleich noch ein Glas. Dann stiegen wir auf das Motorrad, ich trat auf den Kickstarter und wir flatterten im letzten Licht der Abenddämmerung davon.
     
    Die Eingangshalle der Fondation war schwarz vor Menschen. Ein Typ in einer Ecke, der damit beschäftigt war, seine Brille zu putzen, bemerkte Elsie nicht, aber allgemein schien man zu denken, der Exschriftsteller läßt sich nicht lumpen. Es

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