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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Richard, wenn ich mich danach erkundigte. Ich spürte, es hatte keinen Sinn nachzuhaken, ich konnte nur hoffen, daß das einigermaßen klappte, wenn sie in seiner Gesellschaft waren. Bekamen sie überhaupt noch etwas mit, seit sie sich in diesem verdammten Theater verkrochen hatten?
    Eine Woche, bevor der Vorhang aufging, wurde Hermann schlagartig bleich, und auch die beiden anderen verloren einige Farbe. Als ich sie fragte, ob sie krank seien, antwortete mir Gla
    dys, das sei nicht zum Lachen und sie wolle mich mal sehen. Ich hätte wohl vergessen, daß Hermann praktisch das ganze Stück auf seinen Schultern trug und daß der ganze Saal geschlagene zwei Stunden lang die Augen auf ihn heften würde, ob ich mir eigentlich vorstellen könne, was für ein fürchterlicher Streß das sei, welch unglaubliche Verantwortung …? Hermann bat sie mit einer müden Handbewegung, es gut sein zu lassen, und für eine gewisse Zeit, in der die beiden anderen Wache schoben, war er völlig niedergeschmettert.
    Ich dachte, ich täte gut daran, den Autor des Stückes einzuladen, aber sie verbrachten den ganzen Abend damit, sich gegenseitig davon zu überzeugen, daß alles schiefgehen werde, totsicher würden sie durchfallen, und vielleicht wurden auch schon Teer und Federn vorbereitet. Der Typ gefiel mir. Man begegnet nur selten einem Schriftsteller, der sich nicht für eine Art Genie hält, einem, der an seiner Arbeit zweifelt und nicht Meilen gegen den Wind stinkt.
    - Nein, nein, du bist wunderbar … Das Stück ist schlecht!
    - Ach du meine Güte, sag das nicht …! Ich bin wirklich stolz, es spielen zu dürfen, doch … Aber ich glaube, du hättest einen anderen aussuchen sollen …
    - Komm, Mann … Ich weiß, wovon ich rede.
    Ich ging mit leichten Kopfschmerzen ins Bett. Ich fragte Elsie, ob sie so etwas glauben könne. Sie antwortete, sie sei ganz gespannt darauf. Ich nahm sie in meine Arme, und ich sagte ihr, langsam jagten mir die beiden Idioten tatsächlich Schiß ein.
     
    Marianne war überzeugt, daß das Stück Erfolg haben würde, Paul liebte es, und Andrea beteuerte, sie habe immer gewußt, daß Hermann Talent habe, aber mittlerweile hegte ich gräßliche Zweifel, und es kam vor, daß ich ihr Büro betrat, nur um mich ein weiteres Mal zu vergewissern, ob das die Möglichkeit sei. Paul lachte, er behauptete, meine Unruhe mache ihn jünger, denn ich hätte, das könnte ich ihm glauben, genau das gleiche Gesicht wie er damals, wenn eines meiner Bücher herauskam, und im Grunde sei ich ein Angsthase und wüßte es nur nicht. Ich hatte keine Ahnung, wie er darauf kam, daß ich es nicht wüßte. Zu Hause bekundete ich volles Vertrauen und eine offenbar zu große Gelassenheit, wenn man Gladys hörte, die mir in einem fort zuraunte, o Dan, wie kannst du nur in solch einem Moment so ruhig bleiben, nicht zu fassen, das ist fast unverschämt …! Ich gab ihr zur Antwort, daß ich ihn aufrichtig liebte, daß ich wüßte, wozu er fähig sei. Sie erwiderte, das sei gemein, und zuckte mit den Schultern. Die Ärmste, hätte ich ihr offen mein Herz ausgeschüttet, sie hätte eine Gänsehaut bekommen, daß sie Reißaus genommen hätte, die Hände auf beide Ohren gepreßt.
    Um auf andere Gedanken zu kommen, versuchten sie sich zu entscheiden, wohin sie anschließend fahren sollten (wenn das Desaster perfekt war …?!), und sie falteten Karten auseinander und beugten sich darüber, Schulter an Schulter, wie ein Häuflein halb erfrorener Schiffbrüchiger. Ich wußte nicht, ob das in der Familie lag, diese Lust, sich der Öffentlichkeit zum Fraß vorzuwerfen, jedenfalls schien es uns beiden nicht zu gelingen. Ich fand es noch gut, daß er imstande war, sich frühmorgens auf ein Fahrrad zu schwingen, hatte ich doch meinerseits eine solche Angst gehabt, daß ich nicht hatte aufstehen können, so schwach fühlte ich mich.
    Eines Abends knöpfte ich mir zusammen mit Gladys die Einladungskarten vor – eine Aufgabe, die ihr auf ihre Bitte hin übertragen worden war, deren Ausmaß sie jedoch einigermaßen unvorbereitet getroffen hatte –, wir setzten uns an den Tisch, und ich holte seufzend meine Brille hervor.
    - Hör mal, niemand zwingt dich dazu.
    - Sei nett zu mir, antwortete ich ihr. Da stehen so viele Namen auf der Liste, daß du mir die Füße küssen solltest.
    Hermann und Richard waren nach dem Essen wieder ins Theater gefahren. Dem letzten Gerücht zufolge würde nichts rechtzeitig fertig sein, aber verflixt hin, verflixt her, sie waren

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