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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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mir nicht so gefallen …
    -Ja, darüber reden wir nachher …
    Plötzlich, von einer bösen Vorahnung befallen, senkte ich den Blick auf meinen Flachmann, den er in der Hand drehte und wendete, ohne ihn wieder verstöpselt zu haben, aber ich kam nicht mehr dazu, ihn in Sicherheit zu bringen, denn im nächsten Augenblick war das besagte Objekt verschwunden.
    - Hoppla …! machte er.
    - Verdammt, was ist los?! erbleichte ich.
    Als ich das entsetzliche Glucksen vernahm, hechtete ich nach vorne. Und mit mir dieser den Geburtszangen entrissene Hurensohn.
    Unsere Köpfe prallten zusammen. Ein zwiefaches Stöhnen war die Folge dieser brutalen Vereinigung. Halb zerschmettert, halb verblüfft, richtete ich mich langsam wieder auf, eine Hand an der Stirn, und preßte mich in meinen Sitz. Ich war buchstäblich vor den Kopf geschlagen. Elsie fragte, was passiert sei, aber ich konnte nur mit meiner freien Hand abwinken, um ihr kundzutun, daß alles okay sei, daß einzig das Stück zähle und ich nur den einen Wunsch habe, daß man mich ein paar Minuten in Frieden ließ. Ein heftiger Schmerz zog sich von meiner Kopfhaut bis zu meinem Kinn. Das Lid des Auges, das der Einschlagstelle am nächsten war, zuckte immer noch.
    Sobald ich dazu in der Lage war, beglückwünschte ich ihn. Es scherte mich wenig, daß er vorsichtig irgendein Taschentuch auf sein Gesicht drückte. Ich brauchte nur die Beule zu fühlen, die in meiner hohlen Hand pochte, um erst gar nicht auf den Gedanken zu kommen, ihn zu bedauern.
    - Sehr gut. Bleib sitzen! sagte ich zu ihm, ehe ich mich bückte, um mir meinen Flachmann zu angeln. Halt dich da raus …!
    Als ich die Flasche an Land zog, befand sich kein einziger Tropfen mehr darin – wenn Harold so etwas verzapft, kann man darauf wetten, daß der Flaschenhals nach unten zeigt –, aber ich freute mich trotzdem, daß er sie nicht zertrampelt hatte. Das Stärkste war, daß er es nicht geschafft hatte, mich zu ärgern, nicht richtig. Harold war nicht Manns genug, mir einen Abend wie diesen zu verderben. Weder Harold noch tutti quanti.
    Alles hat auch sein Gutes. Immerhin hörte ich ihn bis zum Ende des Stückes nicht mehr, und er überließ mir seine Armlehne, ohne daß ich darum bat, er war vollauf damit beschäftigt, seinen Augenbrauenbogen unendlich behutsam zu betupfen. Ich für mein Teil ließ meine Beule lieber an der frischen Luft, auf daß Hermann sie mit seinen positiven Schwingungen bombardierte. Er hatte gerade seinen Vater mit einem Schuß durch die Tür verfehlt. Sie hatten sich noch ein paar Kleinigkeiten zu sagen. Es ist selten, daß ein Vater und ein Sohn ein Ende finden, wenn sie Lebensweisheiten austauschen.
    Wir mußten warten, bis der Vorhang fiel und das Licht anging, um das ganze Ausmaß des Schadens zu ermessen. Während der Beifall prasselte, riskierte ich einen Blick auf Harolds Profil. Ich glaubte nicht, daß ich ihm jemals so spinnefeind sein konnte, ihm so etwas zu wünschen. Das sah aus wie eine allergische Reaktion auf ein mieses Medikament. Sein Auge war blau bis auf den Knochen, fürchterlich geschwollen und leuchtete geradezu gräßlich. Ich mußte ihn an einer besonders empfindlichen Stelle getroffen haben, an der sich nicht einmal eine Libelle hätte niederlassen können, ohne ein beginnendes Ödem zu verursachen. Ich klatschte, pfiff, stampfte sogar mit dem Fuß, während sie sich auf der ßühne verbeugten, aber parallel dazu überfegte ich, wo wir wohl Eiswürfel herbekommen konnten. Ich hatte ebenfalls welche nötig, denn meine Beule war zwar weniger spektakulär, aber gleichwohl nicht zu übersehen und brannte auf meiner mißhandelten Stirn.
    Hermann wirkte erschöpft, aber seine Augen leuchteten, während die Gunst des Publikums auf ihn einprasselte.
    - Ist das nicht gut, fühlt man sich nicht erhaben und wie von einer himmlischen Dusche erfrischt …?! Hermann, ich weiß, was du empfindest, denn ich habe auch daran gekostet, die Leute haben mir aufgelauert, um mich in ihre Arme zu schließen, Hermann, wie ich schon sagte, das ist das Beste und Schlimmste, was dir widerfahren kann, aber mach dir keine Gedanken. Zumindest nicht heute abend … Berausche dich an diesem süßen und geheimnisvollen Trank, mein Junge!
    Meine Hände waren wie Bratäpfel, und der Absatz meines Stiefels ging fast flöten.
    Anschließend, als wir uns langsam aufrappelten, mußten wir Elsie und Bernie wohl oder übel erklären, was passiert war. Das war gar nicht so unglaublich, wie sie zu meinen

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