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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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entspannt, ich verfolgte keinerlei böse Gedanken, als mir auf einmal der Gedanke kam, wir könnten in aller Ruhe über diese Dinge sprechen.
    - Ich möchte dich etwas fragen, eröffnete ich ihm in freundlichem Ton. Wie stehst du zu Richard …?
    Er zuckte auf seinem Hocker zusammen, aber ich beruhigte ihn.
    - Keine Bange …. ich will keinen Streit anfangen. Ich möchte nur gern wissen, wie es ausschaut. Weißt du, ich kannte Richard schon, da war er keine zehn Jahre alt …
    Er warf mir einen mißtrauischen Blick zu, aber ich blickte so entwaffnend drein und bemühte mich um ein so strahlendes Lächeln, daß er nach einer Weile auftaute.
    - Puh, willst du das Thema wirklich anschneiden …?
    - Nein, im Grunde interessiert mich vor allem deine Meinung. Lassen wir eure sexuellen Beziehungen beiseite, das stört mich weniger … Sag mir lieber, wie du Richards Zukunft siehst …
    - He, Dan, Moment mal … Worauf willst du hinaus …?!
    - Beruhig dich … Ich mach dir keinen Vorwurf. Du hast den Sinn meiner Frage nicht erfaßt, ich wollte schlicht wissen, ob j du glaubst, die Sache sei ernst oder nur eine vorübergehende Erfahrung …
    -Wie bitte …?
    - Also ehrlich, Harold, rede ich in Rätseln …?
    - Verdammt, du bist lustig …!
    - Komm, behaupte nicht, du wüßtest nicht, was ich meine …
    - He, paß auf, das ist nicht so einfach … Richard ist dermaßen verschlossen … Glaub nicht, daß er mir mehr erzählt als dir oder sonstwem …!
    - Ja, aber ich frag dich nicht, was er dir erzählt, ich frag dich, was für ein Gefühl du hast …!
    - Mmm, ein ziemliches verschwommenes … Naja, ich weiß nicht, sagen wir so, das dürfte eher eine Erfahrung sein … ; Manchmal hatte ich den Eindruck, er hat sich Mühe gegeben …
    Lächelnd unterbrach er sich und machte mich darauf aufmerksam, daß die ersten Takte eines Stücks von Elsie zu hören waren. Er hatte vollkommen recht. Das war eine angenehme Überraschung. Enrique zwinkerte mir vom anderen Ende her zu und erklärte mir, sie hätten die Scheibe seit einem Tag. Ich drehte mich um. Das Mädchen war mitsamt seinen Freundinnen verschwunden, aber ich blickte mich nicht nach ihm um, in dem Lied hieß es: Ich hoffe, du verblüffst mich noch oft, ich hoffe, du bist die Mühe wert …. das war nicht der rechte Augenblick, schwach zu werden, ich bekam Angst, der Titel könnte ein echter Hit werden und einen in jeden Winkel der Stadt verfolgen.
    Soweit war ich mit meinen Überlegungen gediehen, als ich einen Typen sah, der aus dem hinteren Teil des Saals antanzte und sich entschlossen vor der Jukebox aufbaute. Es war Marc, und ich glaubte, ich würde Zeuge einer schmerzlichen Szene, ein Kerl, der sich über eine Art Grab beugt und mit gesenktem Haupt der Zeit nachhängt, da Elsies Stimme in seinen Ohren gurrte. Stattdessen überkam ihn eine recht unsanfte Erinnerung, er packte den Apparat mit beiden Händen, um ihn brutal zu schütteln. Es ertönte ein fürchterliches Knistern. Ich erzitterte bis in die Zehenspitzen. Du mein Held, mein Schatz, mein Diamant – ihre letzten Worte, bevor er sie meuchelte –, mein Liebster, mein Schuft …
    Ich hüpfte im gleichen Moment von meinem Hocker. Harold versuchte mich zurückzuhalten, aber ich bedeutete ihm, sich da rauszuhalten. Ich holte Marc ein, als er sich einen Weg durch die Tische bahnte. Ich klopfte ihm auf die Schulter. Als er sich umdrehte, verpaßte ich ihm eine schwere Gerade in den Magen, etwas Feines.
    - Ich glaub, wir sind keine Freunde mehr, sagte ich zu ihm, während er zusammensackte. Enrique kam herbeigestürmt. Marc zappelte wie ein Fisch, der frisch geangelt in den Bauch eines Kahns geworfen wird.
    - Enrique, würdest du mir bitte Kleingeld geben …?
     
    Auf dem Rückweg ließ ich Harold schwören, daß er Elsie kein Sterbenswörtchen von dem Vorfall erzählte. An einer Ampel fragte er mich, ob ich das öfters hätte, und als ich darüber nachdachte, fand ich meine gute Laune wieder.
    Das Gratulieren hatte noch kein Ende, als wir uns wieder in die Kulissen eingliederten, aber dem größten Gedränge waren wir wahrscheinlich entkommen, so daß es mir möglich war, Hermann ohne allzugroße Schwierigkeiten zu erreichen. Natürlich war er nicht mehr der gleiche, und während wir in Gesellschaft einiger anderer miteinander quatschten, sah ich ihn drei Schalen Champagner kippen, ohne daß er es selbst merkte, und seine Augen glühten, und seine Wangen waren rot wie Tomaten. In puncto Glückwunsch hatte ich mich

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