Rückgrad
wir uns zu viert bei einem niedlichen Abendessen niederließen, wo mich schon bei der Vorstellung Krämpfe befielen …?! Ich schüttelte mich heimlich. Als wäre mir ein eiskalter Wind ins Gesicht gefahren.
Als Gladys zu mir kam, war Hermann hinüber.
- Sehr gut. Gehn wir …! erklärte ich und stapfte ihr nach.
Er sagte, es gehe ihm bestens, aber er lag auf dem Boden und weigerte sich aufzustehen. Richard unterstützte mich bei dem Versuch, ihn aufzurichten … Immerhin wog er inzwischen einiges, und helfen tat er uns nicht die Bohne. Wir verdrückten uns hinter einen Vorhang und verschwanden auf kürzestem Weg durch das Theater. Gladys ging voran, und sie drehte sich um, um uns zu fragen, ob wir das lustig fänden, ihn in einem solchen Zustand zu erleben, und wenn man sie fragte, sei nur dieser Boris daran schuld, der ende sowieso mal als Säufer. Hermann gluckste nur und ließ die Beine hängen. Ich wußte nicht, ob das sein erster Vollrausch war, jedenfalls war er ihm hervorragend gelungen. Als mein erstes Buch erschien, hatte ich es immerhin geschafft, allein nach Hause zu kommen.
Wir pferchten ihn in den Fiat. Bevor wir die Tür zuschlugen, schickte ich Gladys los, damit sie Elsie Bescheid gab, sie solle ihr sagen, sie könne noch bleiben, wenn sie wolle, ich sei leider gezwungen aufzubrechen. Ich zündete mir eine Zigarette an und starrte in die Nacht, während Richard darauf achtete, daß Hermann nicht auf den Bürgersteig kippte. Es war kein Mensch zu sehen, aber eine ganze Reihe von Reklameschildern harrte leuchtend der Morgendämmerung.
Ich schaute Richard an. Als er es merkte, stürzte ich mich ins kalte Wasser.
- Paß auf, Richard, erzähl mir keinen Stuß, ich will, daß du mir ehrlich Antwort gibst … Fühlst du dich imstande, mir mein Motorrad nach Hause zu bringen, ja oder nein …?
- Na sicher, kein Problem …!
- Herrgott, du sollst mir nicht irgendwas erzählen … Ich komm schon klar, wenn du nur den geringsten Zweifel hast … Weißt du, du brauchst mir nichts zu beweisen …
- Jaja, sei unbesorgt …. ich paß schon auf.
- Verdammt nochmal, Richard …! knurrte ich und reichte ihm die Schlüssel.
Elsie – in ihrem Kleid, ungelogen, eine schwarze Lilie, eine anthrazitfarbene Flamme – und Gladys tauchten in dem Moment auf, als Hermann vornüber kippte und mit dem Schädel gegen die Windschutzscheibe prallte. Sie nahmen wie bei einem Zaubertrick hinten in meiner Nuckelpinne Platz.
- Ruf mich ruhig an, wenn du dich nicht sicher fühlst …. schärfte ich ihm ein, ehe ich losfuhr. Ich bring dir den Fiat, und die Sache ist geritzt …!
Ich führte ihn direkt auf sein Zimmer, trug ihn beinahe, und das mit Gladys im Schlepptau, die über alles mögliche redete, während er mir die Ohren vollwimmerte. Ich legte ihn auf sein Bett und machte mich daran, ihn auszuziehen, aber sie kam mir ständig in die Quere. Ich sagte ihm, er solle mich rufen, wenn etwas nicht in Ordnung sei, es bringe nichts, wenn wir uns zu zweit genierten.
Ich trödelte unten ein wenig herum, während sich Elsie abschminkte. Ich hatte zu nichts Lust. Ich lauschte den Geräuschen im Haus und dachte an Hermann. In Wirklichkeit war keiner mehr beeindruckt als ich. Ich ging in die Küche und aß eine Aprikose über dem Spülstein. Es war nur noch eine Stunde bis Tagesanbruch, aber es war kein Licht zu sehen, von dem verdutzten Gesicht einiger Laternen abgesehen. Die Häuser zeichneten sich in der Dunkelheit ab, schwärzer als die Nacht, und nicht ein Fenster war erleuchtet. Ich dachte an nichts Bestimmtes; und wenn, war ich mir dessen nicht bewußt. Ich fühlte mich nicht müde, aber ich spürte, daß ich Ruhe brauchte. Wieder im Wohnzimmer, ließ ich mich in meinen Sessel fallen, und ich saß dort, die Beine übereinandergeschlagen und die Arme über den Lehnen und meine Lippen, die wie von selbst miteinander spielten.
Kurz darauf stieg ich nach oben, um zu sehen, was sich dort tat. Mittlerweile hatte Gladys das Badezimmer besetzt. Ich nutzte die Gelegenheit, um einen Blick in Hermanns Zimmer zu werfen. Das Licht war aus, ich sah nichts, aber ich hörte ihn atmen und sich bewegen.
- Merke dir eins …. murmelte ich, während ich sachte die Tür schloß. Je mehr Siege du in dieser Welt davonträgst, um so mehr wirst du besiegt. Henry Miller. Nexus.
13
Eines Abends, vierzehn Tage nach Hermanns Abreise in Richtung Ozean, teilte mir Elsie mit, man habe ihr eine Tournee durchs Land angeboten, ihre Antwort stehe aber
Weitere Kostenlose Bücher