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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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noch aus. Die Angelegenheit schien sie zu beschäftigen. Also nahm ich sie, nachdem wir zu Ende gegessen hatten, auf meinen Schoß und schlug ihr vor, wir sollten in Ruhe darüber reden. Ich war ein wenig überrascht, daß sie derart zögerte, wo sich ihr die Gelegenheit bot, hinter ein Mikro zu steigen.
    Ich riet ihr zuzusagen. Ich wußte nur zu gut, was das für mich hieß, aber ich sagte ihr, man dürfe nicht zögern, wenn einem das Glück winke. Nichtsdestoweniger würde ich allein zurückbleiben. Dank Elsie war Hermanns Abwesenheit weniger spürbar, und „wir hatten ein paar friedliche Abende miteinander verbracht, aber daran durfte ich nicht denken. So langsam machte mir Elsie richtig Probleme.
    Zwei Tage lang hüpfte sie von einem Bein aufs andere – They shoot horses don’t they? – , obwohl ich ihr unvermindert zuredete. So sehr, daß sie mich schließlich fragte, ob ich sie loswerden wollte. Ich ließ sie erneut auf meinem Schoß Platz nehmen. Eines Morgens dann rang sie sich durch.
    Kaum war sie abgereist, gerieten meine Nächte wieder in Unordnung. Ich war doppelt allein, und das war doppelt so hart, ich war allein, selbst wenn ich unter Leuten war. Bernie und ich waren uns einig, daß wir in einem Alter waren, in dem man weder große Kälte vertrug, noch wie ein wildes Tier oder ein einsamer Held leben konnte. Wir brauchten ein bißchen Wärme. Leider waren wir nicht sicher, ob wir nicht ein wenig spät damit angefangen hatten.
    - Stell dir so einen Schuft vor, der eine nette Frau gefunden hat … Stell dir vor, ein halbes Dutzend Kinder, das einem ständig zwischen den Beinen rumtanzt …!!
    - Herr im Himmel! Du streust Salz in die Wunden …!
    Kaum war sie abgereist, ermaß ich meinen Schmerz, aber man muß sich von Zeit zu Zeit einen Finger abschneiden können, wenn er einem die falsche Richtung weist. Ich war soweit, mir zu wünschen, daß das Unvermeidliche so schnell wie möglich eintraf, daß sie mit dem Erstbesten durchbrannte, auch wenn ich dabei Federn lassen mußte. Das war nichts, verglichen mit dem Verlust meines eignen Fleisch und Bluts, der mir bevorstand, selbst wenn sie mich innerhalb der nächsten Monate sitzenließ.
    Andererseits war ich froh, daß sie mich anrief. Sie wartete, bis die Nacht hereingebrochen war, schreckte mich am Ende meines Arbeitstages auf, wenn ich mich nach einem Happen, den ich in der Küche im Stehen hinunterschlang, ins Wohnzimmer zurückzog und mühsam versuchte, meine düstere Lage zu vergessen. Mit anderen Worten, ich war reif. Aber ich blieb mir treu, ich erzählte ihr jedesmal, es sei alles in Ordnung, warum auch nicht …?
    - Du bist nicht gerade nett …. antwortete sie mir darauf. Mein Magen krampfte sich zusammen, aber ich hielt mich wacker. Ich hatte stets ein Glas in Reichweite.
    - Fehle ich dir wenigstens?
    - Aber sicher, natürlich! versicherte ich ihr mit so fader Stimme, wie mir angesichts der Beklemmung, die mich bedrohte, möglich war.
    Als ich sie fragte, wie es bei ihr denn laufe, hörte ich am anderen Ende so etwas wie einen leichten Seufzer, und ich vermißte jedwede Begeisterung, und wenn ich nachfragte, sagte sie, warum kommst du nicht zu mir, warum nimmst du dir nicht ein paar Tage frei …?
    Die Nächte waren wie verlassene Dörfer, stille Ruinen, zerstörte Viertel, die ich zu Tode betrübt durchquerte, ein Glück, daß es Sommer war und das Tageslicht nicht allzu lang auf sich warten ließ, das hätte noch gefehlt.
    Ich kam jeden Morgen zu früh. Ich machte es mir auf einer Terrasse bequem und wartete darauf, daß die Türen aufgingen oder die Sonne mir neue Kraft verlieh, ich setzte meine Brille ab und ließ mich mit einer Art erschöpftem Lächeln blenden und innerlich durchfluten. Bis dann Dolbellos Wagen aufkreuzte und hundert Meter entfernt stehenblieb. Es dauerte immer eine ganze Weile, bis Sarah ausstieg. Dann sah man sie eilig über den gegenüberliegenden Bürgersteig flitzen, und stets winkte sie ihm ein letztes Mal zu, während er sie an Bord seines verdammten Rover überholte.
    Jetzt, da ich allein war, erschienen mir die Gründe, aus denen ich mein Geld von der Stiftung bezog, weniger einleuchtend. Ich spürte, daß ich langsam Abstand gewann, und seltsamerweise ließ mich diese Erkenntnis kalt. Auch die Scherereien, mit denen man zu rechnen hat, wenn man seinen Job los ist, sprangen mir nicht mehr auf der Stelle ins Gesicht. Ich hatte mich schon oft gefragt, was ich da eigentlich tat, aber noch nie so eindringlich.

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