Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
Während sie sich fertigmachte, rannte ich in mein Büro, um meine Sachen zu packen – meine Flasche Wild Turkey und meine Nagelschere, der Rest gehörte der Stiftung –, und ich setzte mich ein letztes Mal auf meinen Bürostuhl. Ich hinterließ wirklich nichts, ich hatte nichts auf meinen Tisch gekritzelt und nichts an die Wand gehängt. Meine Schubladen waren leer. Bevor ich ging, drehte ich meinen Stuhl auf den Tisch und warf den Kalender in den Papierkorb.
    Lächelnd warteten wir auf den Aufzug.
    - Warum tust du das für mich …? fragte ich sie.
    Die Türen öffneten sich gerade, als sie mir in vergnügtem Ton antwortete:
    - Ich bin nicht verliebt in dich, wenn du das meinst.
    Während wir hinunterfuhren, fügte sie hinzu, immerhin kennten wir uns nun schon seit einer Weile, und wenn ich es wirklich wissen wollte, wenn das meine Bescheidenheit nicht verletze, dann wolle sie mir gern ein paar Dinge aufzählen, die ihr an mir gefielen. Ich sagte, das sei nicht nötig, und lächelte zur Decke. Ganz davon zu schweigen, fuhr sie fort, daß es – für den Fall, daß diese Gründe nicht ausreichten – unter Leuten, die nicht mehr schreiben, und Leuten, die nicht mehr gehen konnten, normal sei, daß man einander helfe.
    Bei diesen Worten hielten wir im Erdgeschoß an.
    - Derjenige, der dir das angetan hat, brät in den Flammen der Hölle …! sagte ich.
    Die Kolben des Öffnungssystems zischten wie Schwefeldampfstrahler.
    - Ein komisches Bild …. meinte sie kopfschüttelnd. Während wir die Eingangshalle durchquerten, sagte sie mir, sie werde ja sehen, ob ich ein undankbarer Kerl sei, und ich versprach ihr, von Zeit zu Zeit hereinzuschauen, als schlichter Besucher, dann könnte ich mich auch auf eine Ecke ihres Schreibtischs setzen und mich nach den großen und kleinen Dingen erkundigen, die sich innerhalb der Stiftung zusammenbrauten, da kenne sie mich aber schlecht, und während ich ihr diesen Vortrag hielt – schließlich durfte ich trotz allem nicht vergessen, wie mir geschah –, zählte ich bewegt die letzten Schritte, die mich vom Ausgang trennten, und diesmal endgültig.
    Hans hielt mir die Tür auf, und ich trug sie eigenhändig in ihren Wagen.
    - Ich glaube, er mag es nicht, wenn sich jemand anders um dich kümmert …! raunte ich Marianne ins Ohr.
    - Und du, wie fühlst du dich jetzt …? fragte sie mich, während ich mich auf dem Bürgersteig streckte und mir mit leicht beunruhigter Hand über das Kreuz strich.
    Ich schenkte ihr ein breites Buddha-Lächeln:
    - Danny kehren in Dschungel zurück …
     
    Als ich am nächsten Morgen wach wurde, bemerkte ich als erstes einen sanften Wind, der sich in den Vorhängen vergnügte, auch wenn man eher hätte meinen können, sie würden von dem satten Licht angehoben, das mit Macht ins Zimmer drang, sowie laute Stimmen, die aus dem Garten kamen, Harold und Bernie zankten sich aus unverständlichem Grund. Mein erster Tag in Freiheit nach so langen Monaten! Er war so, wie ich ihn mir vorgestellt hatte, lau und heiter, und das nach einigen Stunden richtigen Schlafs … Ich lag auf dem Bauch, wunderbar reglos und noch nicht entschlossen, mich zu rühren, als ich plötzlich meinen Wecker erblickte, und mir stockte der Atem. Ich dachte sogleich daran, ihn mit den Fingerspitzen zu fassen und feierlich in der äußersten Ecke des Gartens zu vergraben. Ich drehte mich also auf einen Ellbogen. In der gleichen Sekunde wurde ich buchstäblich in meinem Bett erdolcht. Im wahrsten Sinne des Wortes von einem glühenden Säbel durchbohrt. Ich schrie auf vor Schmerzen, kurz und laut wie ein Schuß aus einem Gewehr, dann kippte ich vornüber, brach mit der Nase auf meinem Kopfkissen zusammen. Keuchend. Beide Fäuste ins Bettlaken verkrallt. Schon perlte eiskalter Schweiß auf meiner Stirn. Das war das dritte Mal in meinem Leben, daß mir diese Sache passierte. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wie ich eine solche Qual hatte überleben können.
    - Warum, Herr …? Warum an einem Tag wie heute …?!!
    Ich konnte mich praktisch nicht mehr bewegen. Dachte ich nur daran, stöhnte ich auf. Mir war schlecht, aber das war nichts, verglichen mit dem stechenden Schmerz, der mich umschlich und auf jede meiner Bewegungen lauerte.
    Trotzdem wälzte ich mich auf den Rücken. Wie der letzte Idiot. Draußen war nichts mehr zu hören. Ich rief Bernie um Hilfe, aber sie waren wie vom Erdboden verschwunden.
    Ich brauchte fast eine Viertelstunde, um mich auf den Bauch zu drehen. Wahre Tränen

Weitere Kostenlose Bücher