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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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zu mir …?!
    - Mensch, Elsie, ich kann kaum auf den Beinen stehen. Meine Güte, du weißt, ich bin nicht mehr der Jüngste … Vergiß das nicht …!
    Es gebrach mir an Schneid, sie direkt in die Arme eines anderen zu treiben, aber ich versuchte ihr schüchtern den Weg zu weisen. Ich war zu übel dran, als daß mich irgendwelche sexuellen Dinge hätten ablenken können, und ich mußte die Gelegenheit nutzen, um sie auf den Trichter zu bringen, was im vorliegenden Fall hieß, unsere Trennung zu verlängern, damit sie ein wenig die Augen aufmachte und die Natur wieder zu ihrem Recht kam. Mehr durfte man jedoch nicht von mir verlangen.
    Natürlich, es bestand das Risiko, daß sie durchdrehte und mich nach Strich und Faden betrog, um anschließend mit Unschuldsmiene und noch feuchtem Arsch wieder anzutanzen. Es gefiel mir nicht, so zu denken. Das hieß sie herabsetzen, ich wollte nicht, daß mir solche Dinge durch den Kopf gingen. Das war schändlich. Ich hatte in meinem Leben einige unangenehme Überraschungen erlebt, aber ich durfte mich nicht gehenlassen. Ich war überzeugt, daß ich eines Tages an ein Mädchen geraten würde, das mir gegenüber in diesem Punkt ehrlich war, und ich wollte gern glauben, daß dieses Mädchen Elsie war. Naja, ich hoffte es inständig.
    Ich konnte die Leere, die sie hinterlassen hatte, nur zu gut ermessen. Das war beeindruckend und, um der Wahrheit die Ehre zu geben, geradezu entsetzlich. Mitunter fragte ich mich, ob ich mich nicht überschätzte, ob mir überhaupt bewußt war, wie hart der Schlag werden konnte. Ich lief Gefahr, mich weniger schnell wieder aufzurappeln, als ich annahm.
    - Ja, aber ich sag dir, immer noch besser, sich mit Schmerzen wieder aufzurappeln, als überhaupt nicht mehr, glaub mir …! Ich wußte, daß ich recht hatte. Und wenn ich mich aufgab, dann diesmal in völliger Kenntnis der Sache.
     
    Im Laufe der Tage erkannte ich, daß mir die Stille am meisten gefehlt hatte. Während mein Rücken wieder auf die Beine kam, spürte ich, daß mich neue Kräfte durchströmten. Es kam vor, daß ich den ganzen Tag über niemand sah und den Mund nicht aufmachte, und am Abend dann prickelte mein Verstand und setzte Muskeln an. Ich war auf dem Weg zu einer Form, in der ich seit Jahren nicht mehr gewesen war. Die Stille war gesund, die Einsamkeit war gesund. Elsie war nicht die einzige, die ich vermißte, auch Hermann fehlte mir. Ihre Abwesenheit war wie ein Bad in einem eiskalten Gebirgsbach, ein belebendes Übel, dem ich nicht auszuweichen suchte. Trotz des Hochsommers versank ich bisweilen in einer trockenen Kälte, als stände ich nackt mitten im Wind, und das härtete mich ab.
    - Früher oder später wirst du diesen Kampf zu bestehen haben …! stachelte ich mich an. Und jeder Tag, der verging, war ein Stein, den ich in meiner Hand zermalmte.
    Äußerlich ungerührt nahm ich die Gelegenheit wahr, über das Drehbuch nachzudenken. Streng genommen arbeitete ich nicht daran, aber ich machte mir meine Gedanken, ich drehte und wendete es in aller Ruhe mehrmals am Tag. Ich hatte nicht die Absicht, viel davon zu übernehmen. Tatsächlich keimte allmählich eine kleine Idee in meinem Hinterkopf. Mein Geist hüpfte und zeterte vor Ungeduld, während ich mich körperlich mit neuen Kräften eindeckte. Ich war nahe daran, ob dieses glücklichen Zustroms von Energie in der Dunkelheit aufzuleuchten. Einzig mein Herz blutete ein wenig.
    Gegen Ende der Woche machte ich glatt einen vernünftigen Eindruck. Die letzten Spuren meines Hexenschusses waren verflogen, und der gewissen, auf meinen Weltschmerz zurückgehenden Blässe hatte ich praktisch den Garaus gemacht, indem ich mich im Gras ausgestreckt hatte. (Aufbaucreme, doppelter UV-Schutz [A + B]: Gefahrlose Bräunung!). Ich hatte keinen großen Appetit, aber ich machte mich auf gut Glück über Gladys’ Pillen her, und ich hatte zwei Kilo von ihrem Vollkornreis verputzt. Es war immer noch genauso warm. Der Himmel war von morgens früh bis abends spät von einem unbeweglichen und endlosen Blau. Elsie hatte nicht jeden Tag angerufen. Ich hatte Hemingways Briefwechsel und einige Romane von Faulkner gelesen, um mich von der schlechten Lektüre zu erholen, die ich mir in all diesen Bürostunden hatte aufhalsen müssen. Bei Einbruch der Nacht lungerte ich wieder in meinem Garten herum, Corona und Monte Cristo. Daß Marianne mir die Freiheit gewährt hatte, war nicht alles, ich brauchte noch einige Tage, um mich wieder daran zu gewöhnen.
    Ich

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