Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
Vom Netzwerk:
liefen mir aus den Augen, obwohl ich an Fante dachte mit seiner Diabetes, an Hem mit seiner kranken Leber, Miller mit seinen kaputten Beinen. War mein Schmerz nicht viel zu groß für einen einfachen Drehbuchautor? Verstand man überhaupt, was das hieß, ein Lumbago …?! Ich robbte zur Bettkante und ließ mich auf den Boden gleiten. Allein diese simple Übung brachte mich in Schweiß.
    Ich rutschte auf Knien zum Treppenabsatz. Dann richtete ich mich langsam am Geländer auf, nur mit der Kraft meiner Arme, und ich hielt mich krampfhaft daran fest angesichts des Abstiegs, der mir bevorstand. Mir war leicht schwindelig. Mein Oberkörper war schweißgebadet, und meine Pyjamahose schlotterte mir um die Knie.
    Stufe für Stufe litt ich Höllenqualen, ich brüllte, ich biß mit schmerzverzerrtem Gesicht die Zähne zusammen, daß ich sie mir fast in die Kiefer gedrückt hätte, ich schwitzte vor Angst, und unten sah ich mich im Spiegel, kreidebleich, bleicher als der Tod.
    Und doch war alles gut. Dieser Tag hätte ein einziger wollüstiger Seufzer sein sollen, das sanfte und geduldige Wiedererlernen eines Rhythmus, den diese düsteren Monate verwischt hatten. Aber ich hatte zu lange in diesem Büro gesessen, ich hatte mir wahrlich den Rücken versaut, als ich mich in einem fort über diese verdammten Manuskripte gebeugt hatte. Rächten sie sich auf diese Weise dafür, daß ich sie frohen Herzens im Stich gelassen hatte …?
    - Egal, ich bereue nichts …! sagte ich mir mit Tränen in den Augen, während ich mich, mit beiden Händen am unteren Ende des Geländers, auf den Boden herabließ. Beißt sich der Fuchs nicht eine Pfote ab, um sich aus der Falle zu befreien …?!
    Einzig mein Schmerz kam meiner Freude gleich. Einige derbe Worte hervorstoßend, machte ich mich daran, auf Ellbogen durchs Wohnzimmer zu kriechen. Was scherte mich der Preis der Freiheit, ich hätte mich über eine staubige Straße voll Schotter geschleppt, und hätte ich mein Leben dabei lassen müssen.
    Ich trichterte mir ein, daß meine Qual, verglichen mit dem, was ich dafür erhielt, nicht der Rede wert war. Ich hämmerte mir mit den Fäusten ins Kreuz. Das war so schmerzhaft, daß ich anfing zu lachen, die Stirn in den Teppich gepreßt. O John, o Ernest, o Henri …!!
    Schließlich erreichte ich die Tür zum Garten. Das Wetter war herrlich. Oberhalb der Hecke erstreckte sich ein azurblauer Himmel, unter dem ich, das Gesicht im Rasen vergraben, zusammenbrach, nachdem ich die Tür zugestoßen hatte. Ich schloß einen Moment die Augen, dann fing ich an, aus Leibeskräften nach Bernie zu rufen. Nach einer Weile kamen sie alle beide.
    - Um Himmels willen, faßt mich nicht an …!! schrie ich, bevor sie irgendeine Ungeschicklichkeit begingen.
    Ich erklärte ihnen, ich könne zerbrechen wie Glas, die geringste Grobheit werde mich töten. Ich mißtraute besonders Harold, der die ganze Sache bereits als Spaß auffaßte und davon redete, mich wieder auf die Beine zu stellen.
    - Nein, bloß nicht …. sagte ich. Hol mir lieber eine Decke …! -Warum? Ist dir kalt …?!
    - Verflixt, wie hast du das erraten …?!!
    Während er gehorchte, zog Bernie sein Taschentuch heraus, um den Schweiß abzuwischen, der über mein Gesicht lief. Ich war fix und fertig.
    - Das kannst du dir nicht vorstellen …! seufzte ich.
    - Doch, das ist mir auch schon passiert …
    - Meine Güte, du hast es bestimmt vergessen … An sowas kann man sich nicht erinnern …!
    Ich hätte wer weiß was dafür gegeben, mich einfach in der Sonne ausstrecken zu können. Ich spürte ihre Wärme in meinem Rücken, ihren sanften Schein auf meinem Nacken. Trockene Grashalme stachen mir in die Brust und ins Gesicht, aber ich wagte es nicht, mich auch nur ein klein wenig zu rühren.
    - Bernie … glaubst du fest, daß es auf Erden eine Gerechtigkeit gibt …?!
    Als Harold mit der Decke zurückkam, erklärte ich ihnen, wie sie vorgehen mußten, um mich ins Haus zu transportieren.
    - He, du bist ja wie ‘ne Hängematte …! scherzte Harold, als sie mich hochgehoben hatten, und beglückte mich bei diesen Worten mit einem greulichen Schaukeln.
    Obwohl ich ihn für fähig hielt, mich loszulassen – solche Sachen machte er niemals mit Absicht –, sagte ich nichts, überzeugt, meine Befürchtungen könnten ihn nur im falschen Sinne ermutigen. Er lachte. Ich kenne nichts, was mehr zum Lachen reizt als ein Typ, den ein Hexenschuß zwickt. Ich hatte da einige Erfahrung. Niemand nimmt einen richtig ernst. Ob man

Weitere Kostenlose Bücher