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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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nicht unterkriegen zu lassen.
    - Eins wirst du bald merken, meinte er manchmal zu mir, je älter man wird, um so mehr fängt der Körper an zu stinken …!
    In der Tat hatte ich das bereits festgestellt, der Geruch meiner Achselhöhlen beispielsweise war stärker geworden.
    - Klar, aber nicht nur die Achselhöhlen, Danny … Du wirst schon sehn …
    Ihm zufolge konnte man nichts dagegen machen, er konnte sich noch so oft waschen oder die Fenster aufreißen, wenn er seine Morgengymnastik trieb, der Geruch hielt an.
    - Scheiße, und gegen diese ganzen Spraydinger bin ich allergisch, ungelogen …
    Mir persönlich war das im Grunde piepegal, es störte mich nicht besonders. Allerdings konnte es durchaus sein, und das war Sarahs Ansicht, daß ich keinen sehr ausgeprägten Geruchssinn hatte. Was ich eben dazu sagte, das war für ihn bestimmt, wenn wir miteinander quatschten und er über seine Einsamkeit klagte.
    - Ach was, erzähl mir nichts, das muß er sein, der Geruch des Todes. Den wird man nicht los …
    Ich hatte ihm eines Tages gesagt, daß er uns mit seinem Alter auf die Nerven gehe, daß er so alt gar nicht sei.
    - Ach nein …? Dann sag mir doch mal, mein lieber Dan, was du über diese Dinge weißt … Haste nicht Lust, mit mir zu tauschen, nur um zu wissen, was ich empfinde …?
    Nun denn, jedenfalls war er so sehr entzückt, uns zu Gast zu haben, daß er über eine Minute mit den Schlüsseln hantierte, bis er endlich das Schloß aufbekam.
    - Hoppla, Kinder! Macht mal schnell die Fenster auf, damit wir ein wenig Luft kriegen …! rief er sogleich, bevor wir auch nur einen Fuß in die Stube gesetzt hatten. Riechen Sie nichts, Mademoiselle …? fügte er ängstlich an Marianne Bergens Adresse gewandt hinzu.
    - Nein, ich bin verschnupft.
    - Bestens. Na denn, haut euch jeder in eine Ecke, ich kümmer mich in der Zeit um die Gläser … Ich glaub, das haben wir uns verdient.
    Ich hatte an jenem Nachmittag ziemlich einen sitzen, so daß ich mich an nichts Großes erinnere. Es gehört nicht zu meinen Gepflogenheiten, mich am hellichten Tag zu besaufen, und ich hüte mich davor, es öffentlich zu tun, aber ich war zu lange in der Sonne geblieben, ich vermute, das war wie ein Dolchstoß in den Rücken.
    Den Bullen und ihrem Vater habe ich später erzählt, wir hätten ein paar tolle Stunden verbracht, wir hätten miteinander gequatscht und gelacht, wir hätten Gladys’ Sieg praktisch bis Einbruch der Dunkelheit gefeiert, ja, und sie habe fröhlich gewirkt, statt uns die Hand zu geben, habe sie uns zum Abschied geküßt.
    Apropos, auch wenn ich völlig besoffen war: diese Szene seh ich noch haargenau vor mir, und ich erinnere mich, daß ich zurückzuckte, als sie sich zu mir rüberbeugte, daß ich mich auf meinen Krücken total versteifte, nicht daß mir die Berührung ihrer Lippen unangenehm war, aber ich fand, sie war ein wenig vorschnell. Natürlich behielt ich diesen Gedanken für mich, trotzdem, die Sache hatte mich aufgeregt.
    - Warte, ich helf dir rauf …. schlug mir Hermann vor.
    - Nein, nicht nötig.
    Ich weiß nicht, wie das bei anderen vor sich geht, mir geht es jedenfalls so, daß ich außergewöhnlich klarsichtig bleibe, wenn ich zuviel getrunken habe. Lediglich mein Körper will nichts davon wissen, und stoße ich mich zufällig an einem Möbelstück, habe ich den Eindruck, es sei über mich hergefallen. Es mißfiel mir, daß mich Hermann in einem solchen Zustand sah, mir wäre lieber gewesen, er hätte sich schlafen gelegt, statt dessen machte er mich freundlich darauf aufmerksam, daß wir noch nichts gegessen hätten, er wisse ja nicht, wie ich dazu stehe, er zumindest habe Hunger.
    Ich peilte einen Sessel an, ließ meine Krücken rechts und links fallen und stieß ein leises Ächzen aus, während Hermann in die Küche abzweigte. Ich gab sogleich jeglichen Vorsatz auf, mein Schlafzimmer noch zu erreichen, ich kannte den Weg, die beiden Kurven und die siebzehn Stufen, und was tagsüber ein gelinder Witz war, konnte sich nächtens in einen fürchterlichen Parcours verwandeln, auf dem ich mir mehr als einmal fast die Gräten gebrochen hatte. Es kam überhaupt nicht in Frage, daß ich mich mit meinem eingegipsten Bein auf ein solch wahnwitziges Abenteuer einließ, zumal es reichte, daß mir Hermann eine Decke überlegte und mich von dem Schein der Deckenleuchte befreite, fast hörte ich sie kichern und ihre Stufen blank putzen, diese Teufelstreppe.
    - Willst du auch was?
    - Nein, mein Sohn. Es ist alles

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