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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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das ganze Universum, doch ich ereiferte mich umsonst, kein Engel stieg vom Himmel herab, und meine Leser schrieben mir Briefe, um zu erfahren, was mit mir los sei.
    Der Alkohol half mir zwar nicht, meine Inspiration wiederzuerlangen, aber er erlaubte es mir, mich so zu sehen, wie ich wirklich war, und Franck hatte meinen Anblick weidlich ausgenutzt.
    - Wie ein Verrückter, der in einen Käfig gesperrt ist! meinte sie zu mir. Offen gestanden, du tust mir leid, du tust mir aufrichtig leid.
    Das kam erst gegen Ende, daß ich ihr leid tat, als sie diesen Schwachkopf von Abel gefunden hatte, von dem sie sich trösten ließ, und wir anscheinend unsere letzten Kräfte damit aufgezehrt hatten, uns anzubrüllen.
    Es war nicht ihre Schuld, niemand konnte wissen, was ich empfand, oftmals war das schlimmer noch als sterben, naja, zumindest glaubte ich das, und wer weiß, ob ich nicht doch einige Male gestorben bin, nichts spricht dagegen, ich haßte mich in einem Maße, daß ich mir ausmalte, ich würde mir den Leib aufreißen, um ihn mit Erde zu füllen.
    - Du übertreibst! unterbrach mich Sarah.
    - Nein, verlaß dich drauf, ich bin sogar meilenweit von der Wahrheit entfernt. Sie hatte recht, ich war vollkommen verrückt geworden. In meinen Augen mußte die Frau eines Schriftstellers imstande sein, alles zu ertragen, das Problem war nur, daß ich kein Schriftsteller mehr war, doch bis ich das erst mal kapiert hatte, das dauerte, das dauerte viel zu lang. Ganz davon zu schweigen, daß ich nicht irgendein kleines, anspruchsloses Büchlein zu schreiben gedachte, das kannst du mir glauben … Nur da, da hatte ich die Meßlatte ein wenig zu hoch angelegt. Weißt du, das Schlimmste, was einem passieren kann, ist, seine Grenzen nicht zu erkennen.
    - Ja, aber mittlerweile sträubst du dich mit Händen und Füßen.
    - Nein. Vielleicht fang ich in zwanzig oder dreißig Jahren wieder an. Vorher bestimmt nicht. Ich fühl mich ein wenig wie einer, der seine Frau bei einem Verkehrsunfall getötet hat. Ich werde das Steuer nicht von heute auf morgen wieder in die Hand nehmen. Ich werde warten, bis ich nichts mehr zu verlieren habe.
    - Sagst du das wegen Hermann?
    - Natürlich. Ich will nicht, daß er mich ein zweites Mal absinken sieht, sei unbesorgt … Vergiß nicht, ich bin sein Vater, er hat schon genug Kummer mit mir … Nein, weißt du, ich habe lange geglaubt, die Dinge könnten nicht warten, aber darüber bin ich hinweg.
    - Hör mal … Paul scheint wirklich vollkommen hin und weg. Ich an deiner Stelle würde es mir überlegen.
    - Jaja. Das ist alles wohlüberlegt.
    - Ich versteh dich nicht. Ich find das einfach toll!
    - Pfff … Wenn ich bedenke, mit dem ganzen Geld hätte man ein Bordell in Hongkong aufmachen können …
    Sarah parkte den Wagen genau vor dem Gebäude, aber es regnete, und es war dunkel, man lief also nicht Gefahr, draußen sonderlich viel zu erkennen. Die Fenster unten waren erleuchtet. Ich hoffte, Paul hatte ein wenig Vorsorge getroffen, ich bekam allmählich Hunger.
    - Ah, Sarah, Dan, altes Haus, DU …??!
    Er war auf der Freitreppe erschienen, mit ausgebreiteten Armen, einen weißen Schal um den Hals, die Haare vom Wind zerzaust, das Gesicht erleuchtet. Er stürzte die Stufen hinab. Kaum hielt ich meinen Gips aus dem Wagen heraus, klammerte er sich mit Verschwörermiene an meinen Arm.
    - Na …? Sag schon, was hältst du davon …?!
    - Keine Ahnung …. munkelte ich.
    - Großartig, nicht wahr? Und du hast ja keine Ahnung …!
    - Jaja, das sagte ich gerade.
    Er hörte mir nicht nur nicht zu, er scherte sich auch nicht um den Regen, und statt mir die Treppe hinaufzuhelfen, packte er mich an den Schultern, daß ich auf meinen Krücken schwankte. Sein Blick krallte sich in meine Augen, während die Tropfen über unsere Lider kullerten.
    - Dan, wir werden verdammt was auf die Beine stellen, wir zwei!
    - Nein, Paul, das sollte mich wundern …
    - Ach, halt den Mund. Du bist doch noch ein Kind …
    Er blickte mich so eindringlich an, daß ich Mitleid mit ihm bekam und schwieg.
    - Du bist doch gekommen, hakte er nach.
    - Ich bin gekommen, weil du mich darum gebeten hast, einzig und allein, um dir eine Freude zu machen. Fang nicht wieder an zu träumen. Bitte.
    Sein Gesicht erschlaffte. Er knetete mir einen Moment lang die Schultern, dann seufzte er inbrünstig, aber auch voller Milde und Nachsicht, als wäre meine Sturheit vollkommen lächerlich und eigentlich nur Zeitverschwendung, mit der er sich eben abfinden

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