Rückgrad
gerade aufgehört zu strahlen, als Richard und Marianne zurückkamen. Ich nutzte die Gelegenheit, um mit zusammengekniffenen Augen einen Blick auf die Anzeigetafel zu werfen, denn auf die merkwürdigste Weise der Welt, schlimmer denn ein Spritzer Frühling, rieselte die Sonne auf uns herab, es war kaum zu glauben, daß ich ein paar Tage zuvor noch eine Eisplatte hatte finden können. Gladys’ Team hatte drei Körbe Vorsprung. Nanu, sagte ich mir, für ‘nen simplen Toilettengang waren die aber lange unterwegs, ich fragte mich, was sie noch alles ausgeheckt haben mochte, vielleicht hatte sie sich nicht entscheiden können …?
– Wir sind in die Stadt gefahren, um Champagner zu kaufen, verkündete Richard, während er seine Sonnenbrille polierte. Ihr müßt euch bei Marianne bedanken.
Ich beugte mich vor, um sie mir anzusehen, aber sie schien ganz und gar in das Match vertieft. Sie umklammerte eines ihrer Beine, und ihr Kinn ruhte auf ihrem Knie. Im Grunde konnte ich mich dazu beglückwünschen, daß ich sie mitgebracht hatte, den beiden Jungen gefiel sie, und sie machte den Eindruck, als bliebe sie ruhig. Überdies sah ich sie zum erstenmal außerhalb der Arbeit, und seit einigen Tagen, seit sie zum Schuften bei mir vorbeikam und all meinen Bekannten begegnete, hatte ich das Gefühl, sie war neugierig, wenn nicht gar interessiert, und sobald sie den Kopf hob, um sich diesen oder jenen Neuankömmling anzusehen, nutzte ich die Gelegenheit, unauffällig ein paar dunkle Streichungen an ihrem Manuskript vorzunehmen, was ihr in der Regel ein paar spitze Schreie entlockte und uns in eine endlose Diskussion verstrickte, etwas, das ich mehr als alles fürchtete.
Schwärmte sie für Künstler, Musiker, Schriftsteller, geriet sie beim Anblick dieser ganzen Bande von Bekloppten in Wallung …? In dem Fall hatte sie ihr Fett weg, und ausgeknockt hielt es sie nicht mehr auf ihrem Stuhl, sie setzte nur mehr ein Knie darauf und warf sich in Pose.
- Oh, Marianne, darf ich Ihnen vorstellen …. und während sie sich miteinander abgaben, legte ich los wie eine Rakete, ich strich durch, kritzelte, verbreitete Schrecken auf meinem Weg, ersparte mir in wenigen Minuten stundenlange Reibereien.
Ich muß zugeben, ein solches Ambiente hatte schon etwas an sich, das sie verblüffen konnte, doch mein Fall war allseits bekannt, man wußte, daß ich auf die Nase gefallen war und daß ich praktisch niemand mehr bei mir reinließ, das war meine persönliche Marotte, es ging das Gerücht, ich sei vor Kummer halb übergeschnappt, und so bestürmte man mich nicht. Was Wunder also, daß manch einer bei mir auftauchte, hatte ich doch meine Tür beinahe fünf Jahre lang verbarrikadiert und nun endlich geöffnet. Weiß Gott, in diesem Milieu liebt man einen jeden, der noch grün hinter den Ohren war. Und für halb ausgeklinkt galt, wer noch nicht in das Heiligtum des kleinen Dan gestiefelt war.
Marianne war platt. Ich hoffte, sie würde es bleiben, zumindest, bis wir mit unserer Sache durch waren, und noch strahlte ich nicht, aber das nahm Gestalt an, fast konnte ich den Geruch des Stalles riechen.
Gladys ohne jeden Zweifel auch. Die gesamte Equipe strahlte um die Wette, und die letzten Minuten des Spiels verliefen derart spannungslos, daß ich mich beim Gähnen ertappte. Zum Glück war noch eine Flasche Bier übrig, genau das Richtige, um sich in Geduld zu fassen und besserer Dinge zu harren.
Wir gingen zu Max, um die Champagnerflaschen zu köpfen, denn er wohnte am nächsten, und es war noch schön genug, daß wir ein wenig laufen wollten, schön genug, daß selbst ein Typ mit Krücken Lust dazu haben konnte. Max hatte noch nichts getrunken, aber er tänzelte buchstäblich an meiner Seite.
- Herrgottsackerment, der stellvertretende Bürgermeister hat mir die Hand gedrückt, platzte er heraus. So ein Arsch, letztes Jahr war ich angeblich zu alt, aber haste den soeben gesehn, haste diese Gönnerfresse gesehn …?!
Ich entgegnete ihm, mir sei kein Jota entgangen, woraufhin er mir den Arm um die Schulter legte.
- Danny, ich muß den kassieren, diesen Pokal, verstehst du, ich will den haben! Also ehrlich, haste den gesehn, diesen armen alten Schwachkopf …?!
Es roch ständig nach Schweiß bei Max, nach kaltem Schweiß, und die Kissen waren voller Katzenhaare, und jeder noch so kleine Gegenstand wirkte müde, wenn nicht gar im tiefsten Schlaf versunken, aber es herrschte eine gewisse Ordnung. Max lebte allein, aber er versuchte sich
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