Rückgrad
wir sind zu Fuß …!
- Ja, mach dir keine Sorgen …
- Verdammt, ich warne dich, ich will gehängt sein, wenn ich dir dabei helfe.
- Herrgott, ich will auf keinen Fall, daß du mir hilfst …! Ich hab Lust, sie zu tragen! Ist das so schwer zu verstehn …?
Ich verdrehte die Augen und düste in Richtung Kasse. Es wurmte mich, daß ich mich in Dinge eingemischt hatte, die mich nichts angingen, aber dieser Firlefanz mit der Milch regte mich hochgradig auf, und meine Laune verdüsterte sich wie der Himmel, der nur mehr ein fahles Licht auf die Straße warf.
- Siehst du, es wird bestimmt wieder schneien …. verkündete er mir.
Diesmal stellte ich mit dem vagen Gefühl, die Spuren zu verwischen, einen Scheck aus, statt mich meiner Karte zu bedienen. Ich wußte nicht mehr genau, von welcher Summe an ein Bankier wach wird und wie lange er einem noch vergönnt, durch die Landschaft zu pilgern, bevor er einen harpuniert, aber ich fand sein Schweigen schlimmer als alles andere. Ich hatte viel Geld verdient, damals, als ich Bücher schrieb. Ich war einer seiner liebsten Kunden gewesen. Ah, konnte es sein, daß er diese Hand, die er mir so oft und herzlich gereicht, heute dazu verwandte, mir die Kehle zuzudrücken …?
Dicke, schwarze Wolken überlappten und kugelten sich am Himmel, während der Tag zu Ende ging. Inzwischen wirkte der Schnee tot und seelenlos. Die Leute zogen den Kopf ein und zischten fluchend ab. Auch wenn sich da einiges zusammenbraute, ich hatte keine Lust, sofort nach Hause zu gehen. Ich hatte vor allem keine Lust, Bernie zuzusehen, wenn er diese Dinger den ganzen Weg schleppte, ich hatte keine Lust, dabeizusein, wenn der andere die Tür aufmachte.
- Bernie, laß dich nicht aufhalten …. erklärte ich ihm. Ich spring kurz bei Max vorbei, vielleicht braucht er auch etwas.
Er warf mir einen Blick zu, dann sagte er:
- Meine Güte, du bist wirklich furchtbar …!
Worauf ich zur Antwort gab, er irre sich gewaltig, von mir aus könne er Tag ‘für Tag Dutzende von Milchtüten nach Hause schleppen, wenn es ihm Spaß mache, ich hätte nichts dagegen, dann versicherte ich ihm, daß ich zum Glück andere Dinge im Kopf hätte, und entfernte mich eilig.
- Du glaubst wohl, ich schaff das nicht …? rief er mir nach. Stimmt’s …?!
Ich drehte mich nicht um. Ich ging die Straße in entgegengesetzter Richtung, während die Laternen aufglühten wie durchscheinende Eier und die vereiste Fahrbahn sanft anstrahlten. Es war erst fünf Uhr, trotzdem wurde es bereits dunkel.
Ich war ziemlich schlechter Laune. Ich wußte gar nicht genau, woher das kam. Diese kleine, unbedeutende Auseinandersetzung, die ich mit Bernie gehabt hatte, die konnte ich leicht aus meinem Herzen tilgen, die lastete nicht auf meinen Nerven, hatte ich sie doch praktisch vergessen, ohne daß ich mich besser fühlte. Je mehr ich nach den Ursachen meines Zustands forschte, um so mehr regte mich das Ganze auf.
Ich ging in eine Kneipe, um mich zu beruhigen. Ich wußte selbst nicht, wieso ich plötzlich an Max gedacht hatte, aber jetzt, da ich darüber nachdachte, glaubte ich kein Recht mehr zu haben, mich darum zu drücken. Mir war bewußt, daß auch ich eines Tages an die Reihe kam, daß mich das Alter an meinen Sessel fesseln und ich nicht mehr allein damit fertig werden würde. Ich kippte zwei Bourbon, ohne Luft zu holen, und machte mich schleunigst von dannen, als sei der Ort verwunschen.
Ich klopfte bei ihm. Ich hörte seine Katze im Hintergrund miauen, dann seine Füße, die über den Fußboden schlurften. Als er mir die Tür öffnete, zog ein Schwall verbrauchter Luft ins Treppenhaus und fiel über mich her wie das Gespenst von Monte-Christo. Mir wurde ganz schwindelig.
- Hello …! machte ich und trat einen Schritt zurück.
Dann kam ich wieder zu mir und bemerkte das schreckliche Aussehen, das er sich leistete.
- Ich wollte nur sehn, ob alles klar ist …. fügte ich hinzu, gleichermaßen bestürzt ob der wächsernen Blässe seiner Haut und seiner fiebrig glänzenden Augen.
- Komm rein …! antwortete er mit einer Stimme wie ein Blasebalg.
- Dir geht’s aber gar nicht gut …! behauptete ich ohne Umschweife.
Ich stellte mein Einkaufsnetz in den Eingang und drückte die Tür zu, während er zu seinem Bett latschte. Der einzige Lichtschein im Zimmer stammte von einer Nachttischlampe, deren Schirm, aus einer Kamelblase gefertigt, nur ein tristes, gelbliches Licht verbreitete, das den trostlosen Eindruck der Szenerie noch betonte.
Weitere Kostenlose Bücher