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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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beizumessen. Wenn mich das zuweilen gefuchst hatte, dann nur, weil ich gern an ihrer Stelle gewesen wäre, mehr aber auch nicht, und nie hatte ich länger als fünf Minuten darüber nachgedacht.
    Erschüttert versuchte ich mich zu fassen, aber vergebens. Ich schloß die Augen und riß sie schnell wieder auf, während sie aufstand und seelenruhig in der Küche verschwand.
    - Also nein, was sagt man dazu …?! murmelte ich und preßte die Hände über dem Kopf zusammen. Ist das nicht der schlechteste Witz, den man sich vorstellen kann …?!
    Daraufhin setzte ich mich erst einmal, meine Beine ertrugen es nicht mehr. Auf diese Weise von der Last, stehen zu müssen, befreit, packte ich die Armlehnen und schnitt nach Herzenslust Fratzen.
    - Also nein, so ein Miststück …! dachte ich bei mir. Ich bereute es umgehend, daß ich ohne mein Glas losgezogen war, aber ich brachte es nicht fertig, wieder aufzustehen. Hätte sie es nicht so deichseln können, daß sie den Abend über bei uns blieb, war das so schwierig, die paar Tage, die sie unter meinem Dach verbrachte, stillzuhalten …?! Und ich, ich hatte mich noch gefragt, was sie hatte …! Jessesmaria, ich legte den Kopf in den Nacken und kicherte lautlos. Jetzt war ich es, der etwas hatte. Aber wer wollte bestreiten, daß das Leben zuweilen durch seine Absurdität glänzt …?
    Düster dachte ich an Mat, ihren verstorbenen Gatten und meinen einstigen Freund, an damals, als sie vor seiner Nase ausrückte, um irgendeinen Schwachkopf zu treffen, der um die Ecke parkte. Ich hatte mir stets eingebildet, ich wüßte, was sie empfand, wie ich auch geglaubt hatte, mich in Richard hineinversetzen zu können, als er die Nachfolge angetreten hatte. Jetzt konnte ich das ganze Ausmaß meiner Dummheit auf diesem Gebiet erkennen, mir ging auf, welch lächerlicher kleiner Witzbold ich gewesen war.
    Als sie zurückkam, verpaßte ich dem Dimmer meiner Stehlampe einen Tritt mit dem Absatz, allerdings nicht mit der Absicht, ein stimmungsvolles Ambiente zu schaffen – davor graut mir allein bei der Vorstellung –, sondern weil zuviel Licht brannte und weil ich nicht wollte, daß sie mich auf den Kopf zu fragte, was mit mir los war. Ich musterte den Teppich, um sie nicht ansehen zu müssen. Ich war mir nicht sicher, mich beherrschen zu können, wenn mein Blick auf sie fiel.
    Sie ging an mir vorbei, um sich wieder auf dem Sofa niederzulassen. Als ich ihrem Duft sinnlos nachschnupperte, versetzte ich mir einen fürchterlichen Schlag, aber ich war derart wütend auf sie, daß ich nicht mit der Wimper zuckte. Einen Moment lang suchte ich nach beleidigenden Worten, nach dem kurzen, tödlichen Satz, der uns alle drei für ihre scheußliche Neigung rächen würde. Leider fiel mir nichts Richtiges ein, nichts, das ich verglichen mit dem, was wir erlitten, für böse genug erachtete, und wäre es mir eingefallen, ich hätte gezögert, es auszusprechen, aus Furcht, die Wut ersticke meine Stimme.
    Allmählich wurde mir klar, daß ich ihr nichts zu sagen hatte. Ich stellte mir eher vor, sie am Arm zu fassen, wortlos zur Tür zu führen und ihr auf der Schwelle das verächtliche Lächeln zu schenken, das sie hundertfach verdiente. Ich hätte wer weiß was dafür gegeben, hätte ich gewußt, was sie in diesem Moment dachte. Hatte sie überhaupt gemerkt, welch dumpfe Wut mich befallen hatte? Wäre da nur das eisige Schweigen gewesen, in dem ich mir gefiel, hätte ihr mein Verhalten sogar normal erscheinen können. Aber nein, unmöglich, sie kannte mich zu gut, außerdem war ich mir sicher, daß sie mich ansah, eine ganze Hälfte meines Gesichts kribbelte.
    Na schön, sollte sie doch, es machte mir überhaupt nichts. Zudem würde ich gleich aufstehen, um mich zu den anderen zu gesellen, sollte sie ruhig zum Teufel gehen. Ich hatte nicht die Absicht, sie aufzuhalten. Ich konnte ihr bloß ein eiskaltes Bad vorschlagen, mehr nicht. Große Aussichten auf Erfolg hatte das nicht. Der Typ hupte vergnügt, in kurzen, ungemein spaßigen Tönen. Ich verfluchte mich einmal mehr, daß ich noch da saß wie ein Schwachkopf und über meiner Enttäuschung brütete, während sie aufstand und erneut an mir vorüberging. Die Ankunft dieses Idioten abzuwarten und mir anzuhören:
    - Ich bin weg, Dan, bis später …. und dann die Haustür, die schwer ins Schloß fiel, hieß das nicht, den Kelch bis zur Neige leeren?
    Ich spitzte die Ohren, aber anscheinend hatten sie es nicht eilig, loszufahren. Schön, ich war fünfundvierzig,

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