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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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könnte ich dir schon nutzen …?
    - Oh, keine Bange … Ich finde schon etwas.
    - Weißt du, Marianne, ich habe nichts Besonderes gelernt … In diesem Moment klingelte es an der Tür. Es war Hans, mit meinem Tannenbaum. Sein Gesicht war ausdruckslos, aber ich spürte, daß ihm die Spazierfahrt nicht zugesagt hatte.
    - Tränen sind besser als Lachen, denn das Unglück läutert das Herz, sagte ich ihm, allein er tat, als hätte er nicht verstanden, und kehrte wortlos zu seinem Wagen zurück.
    - Dan, ich kann dich nicht zwingen, für mich zu arbeiten …. setzte sie wieder an, als ich mit dem Tannenbaum auf der Schulter durchs Wohnzimmer zog. Aber würdest du mir endlich sagen, warum nicht …?
    Ich stellte meine Last in eine Ecke und merkte, daß ich mich ein wenig verschätzt hatte: die Spitze schrammte böse gegen die Decke, bildete einen häßlichen Winkel. Während ich dieses Problem zerstreut bedachte, antwortete ich ihr, ich wisse es selbst nicht, dann drehte ich mich um und blickte sie lächelnd, mit ausgebreiteten Armen an.
    - Marianne, ich glaub, im Grunde möchte ich für niemanden arbeiten …
    Ohne mich aus den Augen zu lassen, reichte sie mir eine Traube von Kugeln, die sie am Schwanz hielt, und neigte leicht den Kopf.
    - Wenn ich recht verstanden habe, hindert dich nichts daran, mich wieder zu besuchen, sobald du wieder Fuß gefaßt hast …
    Ich war bereits wieder losgezogen und fing an, sie da und dort, und zwar nicht ganz geschmacklos, aufzuhängen.
    - Täusche ich mich …? drängte es sie nachzufragen.
    Ich war nicht in der Lage, sie zum Teufel zu schicken. Ihre Stimme war sanft und freundlich, und das nahende Weihnachtsfest verpflichtete mich zu mehr Liebenswürdigkeit, ebenso die Aussicht auf die fürchterlichen Scherereien, die mich erwarteten, wenn ich nicht bald einen Weg fand, sie zu umgehen.
    - Oh, oh …! gurrte ich. Also nein, sollte ich ein unersetzbares Talent haben, eine Fähigkeit, von der ich bislang nichts ahnte …?
    - Und warum nicht?
    Da ich die letzte der ersten Serie aufgehängt hatte, lockerte ich meine Schultern und drehte mich gelassen einmal um die Achse. Ich war zufrieden, denn der Raum nahm allmählich Gestalt an.
    - Ich glaube, du machst dir falsche Vorstellungen über mich …. seufzte ich vergnügt. Weißt du, das einzige, was mich im Leben wirklich gereizt hat, war, Bücher zu schreiben, verglichen damit kommt mir alles andere nur fad vor. Insofern würde es mich wundern, wenn ich für die Stiftung ein wertvoller Zuwachs wäre, soviel solltest du wissen …
    - Wer weiß … Vielleicht bitte ich dich, eines zu schreiben …? Ich lachte mich schief. Ich entschied, der Moment sei gekommen, einen Schluck zu trinken.
    - Diese Gnade wird mir schon lange nicht mehr zuteil, feixte ich, während ich nach dem Bourbon griff. Ich fürchte, du mußt dir ‘nen anderen Job ausdenken, der meinen Horizont nicht übersteigt …
    Sie wirkte nicht gerade überzeugt, aber das war ihre ureigene Sache. Vor ihr hatten sich schon andere damit abfinden müssen, daß mich die Gute Fee ein für allemal verlassen hatte und nichts daran zu ändern war. Ich wäre entzückt gewesen, hätte ich ihr das Gegenteil verkünden können. Am schlimmsten war dieses Gefühl, daß man mir Vorwürfe machte, als nähme man mir übel, daß ich nicht mehr war, was ich einst gewesen. Glaubten sie allen Ernstes, mir mache das Spaß, und ich brauchte nur mit den Fingern zu schnippen …?!
    Ich lachte immer noch, als sie schon längst fort war. Ich hatte die Ausschmückung des Zimmers beendet und überlegte, daß es trotz allem ein Segen war, so etwas erlebt zu haben.
    - Schade, daß es so kurz war …. sagte ich mir mit einer Unze Melancholie, schade, daß sie mich so schnell verlassen hat …!
    Dabei dachte ich keineswegs an Marianne. Im Grunde war ich nicht verbittert. Hätte ich nur genug Geld für meine alten Tage beiseite gelegt, ich hätte all dem keine Träne nachgeweint.
    Ich war mit meiner Arbeit letzten Endes nicht unzufrieden, und ohne mich mit Blumen bestreuen zu wollen, mußte ich mir lassen, daß ich mich gut geschlagen hatte und das Ergebnis sehr überzeugend ausfiel. Ich schaltete im letzten Licht des Tages meine Kerzen an, eine wahre Augenweide, ein echter Glücksfall, wie ich ihn mir erhofft hatte, ein Moment, der wunderbar gewählt war, beispielsweise Skriabin zu hören.

10
    Ich wurde buchstäblich mit Komplimenten überschüttet und einhellig für meine Initiative gelobt, mit einer Gegenstimme,

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