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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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aber so einfach war die Sache nicht. Von Zeit zu Zeit passierte es mir, daß ich an die Lächerlichkeit meiner Liebesbeziehungen und meiner Amouren dachte. Im Grunde wollte nichts mehr so recht klappen, seit mich Franck verlassen hatte. Die Fakten waren nicht zu bestreiten. Es blieb einem nur, gute Miene zum bösen Spiel zu machen und die Hoffnung auf das Eldorado fahren zu lassen.
    Zum Glück zählten solch bittere Gedanken nicht zu meinen täglichen Gästen, sonst hätte ich gleich das Handtuch werfen können, und noch war ich so gespannt auf das Leben, daß ich einen ganzen Tag lang für nichts und wieder nichts lächeln konnte. Daß mir der totale Absturz erspart blieb, hatte ich Hermann zu verdanken, schlicht und einfach, weil er an meiner Seite war, ein Kinderspiel, das war der Grund, weshalb ich, acht Jahre nachdem sie mich hatte fallenlassen, noch auf den Beinen war, zwar bis zum Hals in der Scheiße, aber nur zu bereit, mich über die geringste Kleinigkeit zu freuen.
    - Sanctuary! Sanctuary … !! hätte ich meinerseits brüllen können, so sehr schützte mich seine Gegenwart vor allem ändern. Ich fand, daß er viel zu wenig Ferien bekam an diesem Scheißgymnasium.
    Wir schleppten uns einige Nachmittage in die Stadt, um die übliche Geschichte mit den Geschenken zu erledigen. Die Geschäfte platzten aus allen Nähten, und ich war ein wenig beruhigt, ich hatte das Gefühl, mein Bankier hätte Schwierigkeiten, mich in der Menschenmenge ausfindig zu machen, und meine lumpigen Schecks würden in der Lawine unerkannt durchgehen. Hermann zerbrach sich unterdessen den Kopf. Er wiederholte alle naslang, er dürfe sich nicht vertun, gewissermaßen hinge der Endsieg davon ab. Ich hoffte, daß er darüber nicht aus den Augen verlor, daß einzig die Geste zählte.
    Heiligabend waren wir bei den Bartholomis zum Essen eingeladen. In der geistigen Verfassung, in der ich mich befand, war ich hocherfreut, daß andere das Heft in die Hand nahmen, ehrlich gesagt hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht. Es war nicht zu bestreiten, daß ich dieses Jahr stehend k.o. beendete und so gut wie unfähig, mich um irgend etwas zu kümmern. Allein der Gedanke an Gladys’ Geschenk war eine beschwerliche Last, die ich nicht länger als eine Minute ertrug. Überdies fragte er mich nicht um Rat, er begnügte sich damit, laut nachzudenken. Ich hatte seine Mutter in einem Maße geliebt, daß ich stricken gelernt hatte, um ihr heimlich einen dreifarbigen Pullover anzufertigen, und das zu einer Zeit, da ich ihr ganze Schränke voll hätte kaufen können. Ich kann mir vorstellen, daß so etwas die meisten vom Hocker haut, auch wenn die Ärmel ein wenig zu lang geraten waren. Ich war vielleicht kein besonders umgänglicher Typ, aber deswegen gleich alles hinzuschmeißen, wozu sie sich letztlich entschloß, war doch ein starkes Stück, war das nicht der dickste Schlamassel, in dem ich jemals gesessen hatte?
    Eines Nachmittags schneiten wir bei Max herein, aber ich fand, er war nicht so recht in Form, auch wenn ich ihm das Gegenteil versicherte. Wir nutzten trotz allem die Gelegenheit, um die Vorhänge aufzuziehen und ein wenig zu lüften, obwohl er dabei eine Fratze zog wie ein Vampir. Er hatte auch nicht die Absicht, sein Telefon reparieren zu lassen, wozu ich ihm erneut gratulierte, und das Fest mit uns zu verbringen, ob das mein Ernst sei, ob ich ihm vollkommen den Rest geben wolle? Er war so charmanter Stimmung, daß wir schleunigst abzwitscherten, nachdem wir noch ein paar Einkäufe für ihn erledigt hatten, unter anderem einen Miniweihnachtskuchen, den ich in seinen Kühlschrank schob.
    Bei den Bartholomis war man nicht übermäßig verstimmt ob seiner Absage. Allerdings, um die Wahrheit zu sagen, Hermann und mir ging es nicht anders. Gladys war sogar erleichtert. Wahrscheinlich hatte sie ihm noch längst nicht verziehen, daß er sich dazu hatte hinreißen lassen, unter ihrem Rock zu schnüffeln. Ich war wie Hermann, ich fand, sie sah zur Zeit blendend aus, und ich fragte mich, ob das an den Vitaminen lag, die sie schluckte, oder an dem bevorstehenden Fest und dem ganzen Tralala.
    Jesses! Was war es kalt, und wie schnell wurde es dunkel …! Kaum heimgekehrt, kippte ich als erstes ein Glas und rieb mir das Kreuz an einem Heizkörper. Ich riß mich zusammen, wenn ich abends mit Hermann allein war, ansonsten ließ ich mich ein wenig gehen, ohne daß man dessen gewahr wurde, da ich es nie zu bunt trieb. Ich hatte an diesem sonderbaren

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