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Rückgrad

Rückgrad

Titel: Rückgrad Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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der von Harold, der an irgendeiner Kleinigkeit etwas auszusetzen fand, Harold, dieser armselige Nörgler. Mit anderen Worten, so gut wie alle fanden es vollkommen. So daß unsere Abende mit den Bartholomis – trotz aller Veranlassung, die Hermann und ich hatten, uns zu beklagen – ohne den geringsten Zwischenfall verliefen und wie verklärt, beinahe heiter wirkten.
    Als der Tag kam, war ich dennoch froh, daß ihr Heizkessel wieder in funktionstüchtigem Zustand war, denn heikel war das Gleichgewicht, schmal und somit gefährlich der Pfad, auf dem wir wandelten, so funkelnd er uns erscheinen mochte. Ich für mein Teil hatte befürchtet, Sarah entfleuche uns ein zweites Mal. Glücklicherweise blieb mir das erspart.
    - Aber wie lange noch …?! hatte ich mich unablässig gefragt. Bis morgen abend, vielleicht bis übermorgen …?!
    Auf die Dauer war das nicht erträglich.
    Danach kamen die Feiertage im Eiltempo näher, und Schnee gab es überhaupt keinen mehr. Dafür purzelten die Temperaturen grausam in den Keller. Jedesmal, wenn wir auf das Motorrad stiegen, dachte ich an den kleinen Fiat 500 meiner Träume, und Tränen der Rührung gefroren in meinen Augenwinkeln.
    Wir sagten uns beide, so eine kleine Mühle wäre wundervoll. Wir lagen jedem damit in den Ohren, der es hören wollte.
    Hermann war über unsere finanziellen Schwierigkeiten im Bilde, aber das war seine geringste Sorge. Wenn er Interesse heuchelte, wußte ich nur zu gut, daß er das einzig meinetwegen tat, weil er sah, daß ich aus diesem Anlaß bekümmert war, und so redete er mir sanft zu, er sei überzeugt, das werde sich regeln. Daß ich mir Vorwürfe machte, ihn mit dieser Sache zu behelligen, ist gelinde untertrieben. Ich hatte nicht den Eindruck, viel für die Entfaltung seiner Seele zu bewirken, wenn wir unseligerweise auf dieses leidige Thema zu sprechen kamen. Ich dachte an all die Dinge, die er noch zu entdecken hatte, an die ganze verrückte Schönheit dieser Welt, an die großen Geheimnisse, und ich, sein Vater, in welche Kloake schleifte ich ihn mit meinen schmutzigen Geschichten, mit welch ordinärer Nahrung versah ich ihn! Auch wenn er mir nur mit halbem Ohr zuhörte, ich fand, das war zu viel, und manchmal mußte ich mich zusammennehmen, ihn nicht anzuknurren:
    - Hermann … Ich will nicht, daß du dich damit abgibst, hörst du …?!
    Er war recht guter Dinge aufgrund eines Details, das mir während des letzten Abends, den wir mit den Bartholomis verbracht hatten, entgangen war. Anscheinend war sie während einer Runde Karten seine Partnerin gewesen.
    - Und halt dich fest … Sie selbst hat es so gewollt!
    Ich pflichtete ihm bei, daß die Sache von Bedeutung war, und ich freute mich, daß sich in dieser Richtung endlich ein Hoffnungsschimmer abzeichnete.
    - Ich hab immer gesagt, daß sie dir schließlich verzeiht. Naja, ich geb zu, bisweilen muß dir die Zeit lang vorgekommen sein …
    - Nein … Das macht nichts. Ich bin ihr nicht böse. Meine Güte, ich hab es schon fast vergessen.
    Ich wußte nicht, ob da ein Zusammenhang bestand, jedenfalls frühstückte er morgens für zwei und wurde ein wenig gesprächiger. Wir hatten vereinbart, daß er während der Ferien ins Bett gehen und aufstehen konnte, wann es ihm paßte, und es machte den Eindruck, als wollte er das weidlich ausnutzen. Weiterhin von meiner Schlaflosigkeit verfolgt, traf ich ihn morgens gegen elf am Frühstückstisch an, und ich trank einen Kaffee mit ihm. Nur daß ich bereits lange vor Morgengrauen aufgestanden war. Ich fand, das unterteilte ganz angenehm den Vormittag.
    Die Nächte brachen so schnell herein, daß der Tag wie eine kurze Aufhellung erschien. Es kam mir vor, als wäre ich auch in Ferien. Meine Kerzen flackerten vierundzwanzig Stunden am Tag, und es betrübte mich, wenn ich bedachte, daß der Moment kommen würde, wo ich sie ausmachen müßte, denn was würde dann aus der leichten Euphorie, die einen bei ihrem Anblick befiel? Mir war, als hielte ich mir sämtliche Scherereien vom Leib, solange ihr kleines Herz zuckte.
    Das hinderte Elsie nicht daran, mich eines schönen Morgens anzurufen und als Hurensohn zu beschimpfen, bevor ich dazu kam, den Hörer aufzulegen. Aber das war nicht weiter schlimm. Ich hatte im Moment andere Sorgen. Und wenn ich auch von Natur aus nicht besonders nachtragend war, konnte ich doch den Keulenschlag nicht vergessen, den sie meinem Kopf verpaßt hatte. Hermann mochte sie, er fand, ich sei ziemlich hart zu ihr. Ich mochte sie auch,

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