Rueckkehr ins Leben
amü-
sierte sie.
Jetzt wandten sich die Rebellen wieder uns zu und kün-
digten an, einige von uns auszuwählen und zu rekrutieren, denn das war der einzige Grund für ihren Streifzug. Sie befahlen allen, sich in einer Reihe aufzustellen: Männer, Frauen, sogar Kinder, die jünger waren als ich. Sie schritten die Reihe ab und versuchten, Blickkontakt mit den Menschen
herzustellen. Als Ersten wählten sie Khalilou aus, dann mich und noch ein paar andere. Jeder, der ausgewählt wurde, musste sich in eine neue Reihe stellen, der alten Reihe gegenüber.
Junior wurde nicht ausgewählt, und ich stand ihm gegenüber, im Begriff Rebell zu werden. Ich sah ihn an, aber er vermied jeden Blickkontakt, hielt den Kopf gesenkt. Es schien, als lebten wir nun in verschiedenen Welten und als würde unsere Verbindung abreißen. Glücklicherweise beschlossen die
Rebellen aus irgendeinem Grund, das Ganze zu wiederholen.
Einer von ihnen meinte, sie hätten die falsche Wahl getroffen, da die meisten, die sie ausgesucht hatten, zitterten, und das würde bedeuten, dass wir Weicheicher wären.
»Wir wollen starke Rekruten, keine schwachen.« Die Re-
bellen schubsten uns wieder auf die andere Seite. Junior
schob sich neben mich. Er stupste mich sanft an. Ich sah zu ihm auf, er nickte und fuhr mir über den Kopf.
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»Stillgestanden für die endgültige Wahl«, schrie einer der Rebellen. Junior hörte auf, mir über den Kopf zu streichen.
Im zweiten Durchgang wurde Junior ausgewählt. Wir ande-
ren wurden nicht gebraucht, deshalb eskortierten sie uns zum Fluss, gefolgt von den Ausgewählten.
Mit einer ausladenden Armbewegung in unserer Richtung
verkündete einer der Rebellen: »Wir werden euch einweisen, indem wir alle diese Leute vor euren Augen töten. Wir müssen das tun, damit ihr Blut seht und stark werdet. Ihr werdet keinen dieser Menschen jemals Wiedersehen, es sei denn, ihr glaubt an ein Leben nach dem Tod.« Er schlug sich mit der Faust auf die Brust und lachte.
Ich drehte mich um und sah Junior an, der ganz rote Au-
gen hatte und versuchte, die Tränen zu unterdrücken. Er
ballte die Fäuste, damit seine Hände nicht zitterten. Ich fing an, leise zu weinen. Plötzlich wurde mir schwindlig. Einer der ausgewählten Jungen übergab sich. Ein Rebell stieß ihn in unsere Gruppe, indem er ihm mit dem Gewehrkolben ins
Gesicht schlug. Das Gesicht des Jungen blutete, während wir weiter gingen.
»Keine Sorge, Jungs, das nächste Gemetzel übernehmt
ihr«, bemerkte ein anderer Rebell und lachte.
Am Fluss angekommen ließen sie uns niederknien und die
Hände hinter den Köpfen verschränken. Plötzlich hörte man laute Schüsse nicht weit vom Dorf entfernt. Zwei der Rebellen gingen hinter den nahestehenden Bäumen in Deckung,
der dritte legte sich flach auf den Boden und zielte mit dem Gewehr in die Richtung, aus der das Geräusch kam.
»Meinst du, die sind …« Der Rebell auf dem Boden wur-
de von weiteren Schüssen unterbrochen. Die Rebellen be-
gannen zurückzufeuern. Wir sprangen alle auseinander, rannten ins Gebüsch und um unser Leben. Die Rebellen merkten, was los war, und schossen auf uns. Ich rannte so schnell ich konnte tief in den Busch hinein und legte mich hinter einem Baumstamm flach auf den Boden. Ich konnte hören, wie die
Schüsse näher kamen, deshalb kroch ich tiefer ins Gebüsch.
Eine Kugel traf direkt über meinem Kopf einen Baum und
fiel neben mir zu Boden. Ich blieb, wo ich war und hielt die 40
Luft an. Von dort, wo ich lag, sah ich rote Kugeln durch den Wald und in die Nacht hineinfliegen. Ich hörte mein Herz
schlagen und atmete so schwer, dass ich mir die Nase zuhielt, um meinen Atem besser kontrollieren zu können. Einige
Leute wurden gefangen genommen. Ich wusste nicht, was die Rebellen ihnen antaten, doch ich hörte ihre Schmerzensschreie. Der spitze, schrille Schrei einer Frau erfüllte den Wald, und ich spürte, wie mir die Angst in ihrer Stimme
durch die Adern fuhr. Ich hatte einen bleiernen Geschmack in meinem Mund. Ich kroch tiefer ins Gebüsch und fand eine Stelle unter einem Baum, wo ich stundenlang liegen blieb, ohne mich zu bewegen. Die Rebellen waren noch immer im
Dorf, fluchten wütend und feuerten mit ihren Gewehren.
Dann taten sie so, als wären sie abgezogen, doch als einer der Flüchtigen ins Dorf zurückkehrte, schnappten sie ihn sich, und ich hörte, wie sie ihn schlugen. Wenige Minuten später wurden Schüsse laut, darauf folgte dichter Rauch, der in den
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