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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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Himmel stieg. Das Feuer, das sie im Dorf gelegt hatten, erleuchtete den Wald.
    Es war beinahe eine Stunde vergangen und die Schüsse
    der Rebellen ließen allmählich nach. Während ich noch im-
    mer unter dem Baum lag und darüber nachdachte, was ich
    tun sollte, hörte ich ein Flüstern hinter mir. Zunächst fürchtete ich mich, doch dann erkannte ich die Stimmen. Es waren Junior und meine Freunde. Sie waren irgendwie in dieselbe Richtung gerannt. Ich zögerte noch, sie zu rufen, und wartete, bis ich absolut sicher war. »Ich glaube, sie sind weg«, hörte ich Junior flüstern. Jetzt war ich so sicher, dass mir unfreiwillig rausrutschte: »Junior, Talloi, Kaloko, Gibrilla, Khalilou, seid ihr das?« Ich sprach hastig. Keine Antwort. »Junior, hörst du mich?« Ich rief noch einmal. »Ja, wir sind hier bei dem morschen Baumstamm«, antwortete er. Sie dirigierten mich
    dorthin. Dann krochen wir näher an das Dorf heran, um zu
    dem Pfad zu gelangen. Als wir den Pfad gefunden hatten,
    liefen wir zurück in das Dorf, wo wir den Großteil unserer Hungertage verbracht hatten. Junior und ich sahen uns an
    und er schenkte mir das Lächeln, das er zurückgehalten hatte, als er glaubte, ich würde in den Tod geschickt.

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    Der Weg durch die Nacht war sehr still. Keiner von uns
    sagte etwas. Wir wussten, dass wir gingen, aber ich konnte nicht spüren, dass meine Füße den Boden berührten.
    Als wir das Dorf erreicht hatten, setzten wir uns bis zum Morgengrauen ans Feuer. Keiner sprach ein Wort. Jeder
    schien sich in einer anderen Welt zu befinden oder seinen Gedanken nachzuhängen. Am folgenden Morgen redeten wir
    wieder miteinander, als wären wir aus einem Albtraum er-
    wacht, der uns das Leben und die Situation, in der wir uns befanden, mit anderen Augen sehen ließ. Wir beschlossen,
    am nächsten Tag das Dorf zu verlassen und dorthin zu gehen, wo wir sicher waren, irgendwohin, weit entfernt von dem
    Ort, an dem wir uns jetzt befanden. Wir hatten keine Ah-
    nung, wohin wir gehen oder wie wir an einen sicheren Ort
    gelangen sollten, aber wir waren fest entschlossen, einen solchen Ort zu finden. Tagsüber wuschen wir unsere Kleider.
    Wir hatten keine Seife, also weichten wir sie nur ein und legten sie zum Trocknen in die Sonne, während wir uns
    selbst nackt in die nahe gelegenen Büsche setzten und warteten, bis sie trocken waren. Wir hatten uns darauf geeinigt, am nächsten Morgen früh aufzubrechen.

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    Dass wir eine Gruppe von sechs Jungen waren, war kein
    Vorteil für uns. Aber wir mussten zusammenbleiben, weil wir so bessere Chance hatten, den alltäglichen Schwierigkeiten zu entgehen. Die Menschen hatten entsetzliche Angst vor Jungen unseres Alters. Einige hatten Gerüchte über Jungen ge-hört, die von den Rebellen gezwungen worden waren, ihre
    Familien zu töten und ihre Dörfer anzuzünden. Diese Kinder patrouillierten in Spezialeinheiten, töteten und verstümmelten Zivilisten. Und dann gab es jene, die selbst Opfer dieser Schrecken geworden waren – ihre frischen Narben zeugten
    davon. Immer, wenn wir anderen Menschen begegneten,
    fühlten sie sich durch uns an Massaker erinnert; das schürte erneut Angst in ihren Herzen. Einige Menschen versuchten
    uns anzugreifen, um sich, ihre Familien und Gemeinden zu
    schützen. Deshalb beschlossen wir, die Dörfer zu meiden,
    indem wir den Weg durch den Busch wählten. Auf diese
    Weise waren wir sicher und würden auch kein Chaos verur-
    sachen. Das war eine der Folgen des Bürgerkriegs. Die Menschen vertrauten einander nicht mehr: Jeder Fremde war ein Feind. Selbst Leute, die man kannte, waren plötzlich außerordentlich vorsichtig mit dem, was sie erzählten.
    Eines Tages, kaum hatten wir das Waldgebiet in der Nähe
    eines Dorfes, an dem wir vorbeigekommen waren, verlassen, sprang eine Gruppe riesiger, muskulöser Männer aus den Bü-
    schen vor uns auf den Pfad. Sie hoben ihre Macheten und
    Jagdgewehre und forderten uns auf, stehen zu bleiben. Die Männer bildeten eine freiwillige Dorfwache und ihr Häuptling hatte von ihnen verlangt, uns ins Dorf zu bringen.
    Eine große Gruppe versammelte sich bei unserer Ankunft

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    vor dem Wohnbereich des Häuptlings. Die großen Männer
    stießen uns zu Boden und fesselten unsere Füße mit festen Seilen. Dann wurden uns die Hände so fest hinter den Rück-en gezogen, bis sich unsere Ellbogen berührten, was uns die Brust zusammenschnürte. Ich hatte vor Schmerzen Tränen in den Augen. Ich versuchte, mich auf den Rücken zu

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