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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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ein paar Sekunden lang unsere Blicke. Ich riss die Augen weit auf, versuchte ihm zu zeigen, dass ich doch nur ein zwölfjähriger Junge war.
    Aber etwas in seinem Blick sagte mir, dass er sich um meine Sicherheit nicht kümmerte, sondern nur um seine eigene und die seines Dorfes.
    Die Männer führten uns in ihr Dorf und ließen uns drau-
    ßen im Sand vor ihrem Häuptling sitzen. Ich hatte so etwas schon einmal mitgemacht und fragte mich, ob es für meine
    Reisegefährten eine neue Erfahrung war. Sie atmeten schwer, während sie versuchten, das Schluchzen zu unterdrücken. Ich fing an, mir Sorgen zu machen, denn das letzte Mal hatte es jemanden in dem Dorf gegeben, der mit uns zur Schule gegangen war und der uns damit gerettet hatte. Diesmal aber waren wir weit weg von Mattru Jong. Sehr weit weg.
    Die meisten der Männer trugen keine Hemden, aber der
    Häuptling war elegant gekleidet. Er trug traditionelle Baum-wollkleidung mit einem eingewebten gelb-braunen Muster,
    das sich im Zickzack vom Kragen bis über seine Brust zog.
    Seine braunen Ledersandalen sahen neu aus, und er trug einen Stock mit einem Löwenkopf am Griff, in den Vögel,
    Kanus und allerhand Tiere geschnitzt waren. Der Häuptling musterte uns eine Weile. Als mich sein Blick traf, lächelte ich ihn unsicher an, was er damit abtat, dass er den Saft der Kolanuss, die er kaute, auf den Boden spuckte. Seine Stimme war heiser.

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    »Ihr Kinder seid kleine Teufel geworden, aber ihr seid ins falsche Dorf geraten.« Er gestikulierte mit dem Stock statt mit den Händen. »Und das hier ist das Ende des Wegs für Teufel von eurer Sorte. Da draußen im Ozean könnten nicht mal
    Gauner wie ihr überleben.«
    »Zieht sie aus«, befahl er den Männern, die uns gefangen
    hatten. Ich zitterte vor Angst, konnte aber nicht weinen. Alhaji, der vor Entsetzen stotterte, versuchte etwas zu sagen, aber der Häuptling trat gegen den Hocker, auf dem er saß, und verkündete: »Von einem Teufel will ich nichts hören.«
    Unser namenloser Gastgeber und seine Mutter standen
    inmitten der Menge. Jedes Mal, wenn uns der Häuptling
    Teufel nannte oder anschrie, drückte seine Mutter seine
    Hand. Als man mich auszog, fielen mir die Rapkassetten aus den Taschen und einer der Männer hob sie auf und übergab
    sie dem Häuptling. Der Häuptling betrachtete die Gesichter auf den Kassettenhüllen eingehend. Sorgfältig musterte er immer wieder das Cover von Naughty by Nature, sah sich
    verdutzt die militante Körperhaltung und den harten Ge-
    sichtsausdruck der drei Typen an, die dort auf zerklüfteten Felsen mit einem Laternenmast im Hintergrund standen. Er
    verlangte, dass ihm ein Kassettenrekorder gebracht wurde.
    Einer der Männer erklärte dem Häuptling, dass man nur als Plünderer oder Söldner in den Besitz solcher ausländischen Kassetten gelangen konnte. Vielleicht kaufte ihm der Häuptling die erste Vermutung ab, aber die zweite verwarf er, denn sie war ausgesprochen dämlich.
    »Diese Jungen sind keine Söldner, sieh sie dir an.« Der
    Häuptling widmete sich wieder dem Studium der Kassetten-
    hüllen. Ich war erleichtert, dass er uns als Jungen bezeichnet und auf das Wort »Teufel« verzichtet hatte. Aber mir war
    außerordentlich unwohl dabei, nackt im Sand zu kauern. Das war keine angenehme Erfahrung. Der bloße Gedanke an das,
    was passieren mochte, brachte mich in Aufruhr. Ich strengte mich irrsinnig an, damit mein Gesicht das Gegenteil dessen ausdrückte, was ich empfand. Meine Gesichtsmuskeln zuckten, als wir darauf warteten, ob uns der Häuptling mit dem Tod bestrafen oder aber uns das Leben schenken würde.

    77
    Als der Kassettenrekorder gebracht wurde, legte der
    Häuptling die Kassette ein und drückte auf »Play«.
    O.P.P. how can I explain it
    I’ll take you frame by frame it
    To have y’all jumpin’ shall we singin’ it
    O is for Other P is for People scratchin’ temple …

    Alle hörten aufmerksam zu, zogen die Augenbrauen hoch
    und legten den Kopf schief bei dem Versuch, zu begreifen, um welche Art von Musik es sich handelte. Der Häuptling
    schaltete den Song abrupt aus. Einige der Dorfbewohner
    lehnten sich gegen ihre runden Lehmhütten, andere setzten sich auf den Boden oder auf Mörser. Die Männer krempelten die Beine ihrer Stoffhosen hoch, Frauen zogen ihre Umhänge zurecht und die Kinder starrten uns an, die Hände in den
    Taschen oder an den verrotzten Nasen.
    »Stellt ihn auf die Beine und bringt ihn her«, befahl der Häuptling.
    Als ich

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