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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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paar
    Minuten hörten meine Freunde auf zu weinen. Wir gingen
    weiter, ohne etwas zueinander zu sagen. Wir wussten, dass wir nur kurze Zeit trauern durften, wenn wir selbst am Leben bleiben wollten.
    »Ich freue mich auf das Dorf. Ah, ich werde meine Mutter
    fest umarmen«, Alhaji lächelte und fuhr dann fort. »Sie me-ckert aber immer, wenn ich sie fest umarme: ›Wenn du mich liebst, dann hör auf, mir die alten Knochen zu zerquetschen, du bringst mich noch mal um.‹ Sie ist lustig.«
    Wir kicherten.
    »Ich hab das Gefühl, dass wir unsere Familien finden oder wenigstens etwas über sie erfahren.« Kanei streckte die Hände aus, als wollte er die Sonne einfangen. Er sah Alhaji an, der hemmungslos lächelte. »Ich hab gehört, du hast eine schöne Schwester. Ich bin ja immer noch nur dein Freund,
    stimmt’s?« Wir alle fingen an zu lachen. Alhaji sprang Kanei auf den Rücken und sie rangen miteinander im Gras. Als sie damit aufhörten, folgten sie uns auf dem Weg und sangen
    eins der Lieder von S.E. Rogie: »Nor look me bad eye, nor 102
    weigh me lek dat, bo do ya nor point hand pan me. Lady, I beg you …« Wir fielen ein und sangen, als hätten wir die
    schönste Zeit unseres Lebens. Doch allmählich kehrte die
    Stille zurück und übernahm wieder das Regiment.
    Ein Teil des Himmel war vollkommen blau, an dem an-
    deren hingen die Wolken still. Der leichte Luftzug ließ einen Ast im Wald knacken. Das Echo klang wie ein Schrei,
    ein Schmerzenslaut. Ich war nicht der Einzige, dem das auf-fiel, auch meine Freunde blieben kurz stehen und lauschten aufmerksam. Der Luftzug wurde stärker. Die Blätter der
    Bäume rieben aneinander, widerstanden dem Wind. Mehr
    Äste knackten im Wald, und das Wehklagen wurde lauter.
    Die Bäume sahen aus, als hätten sie Schmerzen. Sie
    schwankten in alle Richtungen und schlugen mit den Ästen
    aufeinander ein. Die Wolken rollten nun über den blauen
    Himmel und es wurde dunkel. Heftiger Regenschauer folg-
    te, Blitz und Donner hielten knapp 15 Minuten an. Danach
    war der Himmel wieder strahlend blau. Verdutzt lief ich in meinen durchnässten Klamotten durch die Sonne. Nachts
    begann es erneut zu regnen. Die Regengüsse stürzten brutal vom Himmel, peitschten uns. Wir gingen den Großteil der
    Nacht hindurch, wischten uns das Wasser aus den Gesich-
    tern, um etwas sehen zu können. Schließlich war an ein
    Weitergehen nicht mehr zu denken, und so setzten wir uns
    an den Fuß eines riesigen Baums und warteten. Immer
    wenn es über dem Wald blitzte, konnte ich alle rings um
    mich sitzen sehen. Wir hatten die Gesichter auf die Knie
    gelegt und die Arme verschränkt.
    Die letzten Stunden der Nacht zogen sich endlos. Als der
    Regen aufhörte, war es längst hell. Wir zitterten, unsere Fin-gerkuppen waren blass und schrumpelig.
    »Wir sehen aus wie durchweichte Hühner«, sagte Musa la-
    chend, als wir unter einem Baum hervorkrochen. Wir fanden eine Lichtung, zu der die Sonne durchdrang, wrangen unsere Hemden aus, breiteten sie auf Büschen aus und setzten uns in die Sonne und ließen uns trocknen.
    Es war fast Mittag, als wir unsere feuchten Klamotten wieder anzogen und weitergingen. Wenige Stunden später hör-

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    ten wir in der Ferne einen Hahnenschrei. Musa sprang in die Luft und wir lachten.
    Endlich näherten wir uns dem Dorf, in dem wir mögli-
    cherweise unsere Familien sehen würden. Ich konnte nicht
    aufhören zu strahlen. Kaffeebäume lösten den Wald ab, und auf dem Weg tauchten Fußspuren auf. Wir hörten, wie Reis
    gestampft wurde und vernahmen Flüstergeräusche im Wind.
    Wir beschleunigten unsere Schritte, da uns die Geräusche
    versicherten, dass vor uns Leben lag. Auf der entgegengesetzten Seite der Kaffeeplantage lag eine kleine Bananenplantage, und dort trafen wir einen Mann, der reife Bananenstauden
    schnitt. Sein Kopf war hinter Blättern verborgen und wir
    konnten sein Gesicht nicht sehen.
    »Guten Tag«, sagte Kanei.
    Der Mann lugte hinter den Bananenblättern hervor. Er
    wischte sich den Schweiß von der Stirn und kam auf uns zu.
    Im Näherkommen, als er sich langsam über die raschelnden
    trockenen Bananenblätter bewegte, weckte der Anblick seines Gesichts Erinnerungen.
    Er hatte mehr Falten im Gesicht und war sehr viel dünner
    als das letzte Mal, das ich ihn gesehen hatte. Sein Name war Gasemu, Ngor * Gasemu. Er war einer dieser berüchtigten alleinstehenden Männer in meiner Stadt gewesen. Damals
    hatten alle darüber geredet, dass er nicht verheiratet war.

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