Rueckkehr ins Leben
Gruppe. Meine Augen folgten dem braunen staubigen Weg,
der sich den Hügel hinunter in einen dichten Wald zog,
durch den hindurch ich die Stroh- und Blechdächer des Dorfes erkennen konnte. Ein Teil von mir befand sich bereits unterwegs zum Dorf, der andere wartete ungeduldig auf dem Hügel. Gasemu ließ seinen Wasserkrug herumgehen, doch
ich lehnte ab. Als er wieder bei ihm angelangt war, nahmen wir die Bananenstauden auf und machten uns an den Abstieg.
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Ich stand vor allen anderen auf, damit ich schnell vorneweg gehen konnte.
Als ich den Hügel hinabstieg, hörte ich Schüsse. Und
Hundegebell. Und schreiende und weinende Menschen. Wir
ließen die Bananen fallen und rannten davon, weg von dem
ungeschützten Hügelhang. Vom Dorf stieg dichter Rauch
auf. Flammen züngelten in der Luft.
Wir versteckten uns in den nahe gelegenen Büschen und
lauschten auf die Schüsse und die Schreie der Männer, Frauen und Kinder. Die Kinder heulten, die Männer brüllten so laut, dass ihre Schreie durch den Wald hallten und die der Frauen übertönten. Endlich hörten die Schüsse auf und die Welt war sehr still, als wollte sie lauschen. Ich sagte Gasemu, dass ich ins Dorf gehen wollte. Er hielt mich zurück, aber ich stieß ihn ins Gebüsch und rannte den Weg so schnell ich konnte
hinunter. Ich spürte meine Beine nicht. Als ich ins Dorf kam, stand alles in Flammen, und Patronenhülsen bedeckten den
Boden, wie sonst Mangoblätter am Morgen. Ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte, nach meiner Familie zu suchen. Gasemu und meine Freunde waren mir gefolgt, und wir standen da und betrachteten das brennende Dorf. Ich schwitzte wegen der Hitze, aber ich hatte keine Angst, zwischen den Häusern herumzulaufen. Nägel platzten von den Blechdächern
und flogen davon, landeten auf den nächstgelegenen Strohdä-
chern und schürten damit den Zorn des Feuers. Als wir ein brennendes Blechdach davonsegeln sahen, hörten wir ein paar Häuser weiter Schreie und lautes Klopfen. Wir rannten um
die Häuser herum, dorthin, wo die Kaffeebäume standen,
und fanden das Haus, aus dem die Schreie drangen. Men-
schen waren darin eingeschlossen. Doch das Feuer war bereits zu stark. Es zeigte sich durch die Fenster und auf dem Dach.
Wir nahmen einen Mörser und brachen die Tür auf, aber es
war zu spät. Nur zwei Menschen kamen heraus, eine Frau
und ein kleines Kind. Sie brannten und rannten im Dorf auf und ab, warfen sich gegen alles, was ihnen im Weg stand,
taumelten zurück, um gleich wieder in die andere Richtung weiterzustolpern. Die Frau fiel hin und rührte sich nicht mehr. Das Kind, ein kleiner Junge, stieß einen lauten Schrei 107
aus und ließ sich neben einen Baum fallen. Dann bewegte
auch er sich nicht mehr. Das alles passierte so schnell, dass wir wie angewurzelt stehen blieben. Der Schmerzensschrei des
Kindes hallte in meinem Kopf nach, als wäre er in mir zu
eigenem Leben erwacht.
Gasemu war von der Stelle, an der ich stand, weggelaufen.
Nun schrie er vom anderen Ende des Dorfes. Wir rannten zu ihm. Über zwanzig Menschen lagen mit dem Gesicht nach
unten auf der Erde. Sie lagen alle in einer Reihe, und noch immer strömte Blut aus ihren Schusswunden. Ein Rinnsal lief über den Boden, bahnte sich einen Weg unter den toten Körpern hindurch, als wollte es sie vereinen. Gasemus Schluchzen wurde lauter, als er jeden einzelnen Körper umdrehte. Einige der Münder und Augen standen offen, man sah die Angst, die sie gehabt hatten, als sie darauf warteten, hinterrücks von den Kugeln getroffen zu werden. Einige hatten Dreck eingeatmet, vielleicht als sie ihren letzten Atemzug taten. Die Leichen waren hauptsächlich Männer zwischen Anfang und Ende zwanzig.
Einige wenige waren sogar noch jünger.
Auf anderen Wegen des Dorfes lagen die halb verbrannten
Überreste jener, die verzweifelt versucht hatten, sich zu befreien, nur um schließlich draußen sterben zu müssen. Sie lagen in verschiedenen schmerzverzerrten Haltungen da, einige griffen sich an den Kopf, die weißen Kieferknochen waren sichtbar, andere hatten sich wie Kinder im Mutterleib zu-sammengekauert, völlig starr.
Das Feuer legte sich allmählich, und ich rannte durch das Dorf und suchte nach etwas, das ich nicht sehen wollte. Zö-
gerlich versuchte ich die Gesichter der Verbrannten zu iden-tifizieren, aber es war unmöglich festzustellen, um wen es sich gehandelt hatte. Außerdem waren es viel zu viele.
»In dem Haus da haben sie gewohnt«, sagte Gasemu
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