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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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und
    zeigte auf eines der verkohlten Häuser. Das Feuer hatte sich die Tür- und die Fensterrahmen vollständig einverleibt, und der Lehm zwischen den Streben war herausgefallen, legte die Seile frei, durch die sich die restlichen Flammen fraßen.
    Mein ganzer Körper stand unter Schock. Nur meine Augen
    bewegten sich, öffneten sich langsam und schlossen sich wieder.

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    Ich versuchte, meine Beine zu schütteln, damit das Blut weiter floss, aber ich fiel zu Boden und schlug die Hände vors Gesicht.
    Auf dem Boden liegend hatte ich das Gefühl, als wären meine Augen zu groß für ihre Höhlen. Ich spürte, wie sie anschwollen, und der Schmerz befreite meinen Körper aus seinem Schockzu-stand. Ich rannte auf das Haus zu. Ohne Angst ging ich hinein und sah mich in den raucherfüllten Räumen um. Auf dem Boden lagen Aschehaufen, kein fester Körper befand sich darin. Ich schrie so laut ich konnte und weinte so laut ich konnte, schlug und trat mit aller Gewalt auf die dünnen Wände ein, die noch immer brannten. Ich hatte meinen Tastsinn verloren. Meine Hände und Füße schlugen und traten gegen brennende Wände, aber ich spürte nichts. Gasemu und die anderen Jungen zogen mich von dem Haus weg. Ich trat und schlug um mich, während sie mich herauszogen.
    »Ich habe überall nachgesehen, sie aber nirgends gefun-
    den«, sagte Gasemu. Ich saß auf dem Boden, die Beine im
    Schmutz ausgestreckt und hielt den Kopf mit beiden Händen.
    Ich war voller Wut. In mir brodelte und kochte es, und mein Herz fühlte sich an, als würde es explodieren. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, als laste etwas unvorstellbar Schweres auf meinem Kopf, und mein Nacken begann zu schmerzen.
    Wenn wir nicht auf dem Hügel Rast gemacht hätten,
    wenn wir Gasemu nicht begegnet wären, dann hätte ich mei-
    ne Familie gefunden, dachte ich. Mein Kopf brannte, als
    stünde auch er in Flammen. Ich legte mir die Hände auf bei-de Ohren und drückte vergeblich zu. Ich wusste nicht, wie mir geschah. Ich stand auf und stellte mich hinter Gasemu und nahm seinen Kopf in den Klammergriff. Ich drückte so
    fest zu, wie ich konnte. »Ich krieg keine Luft«, sagte er und wehrte sich. Er schob mich weg, und ich fiel neben einen
    Stößel. Ich hob ihn auf und schlug Gasemu damit. Er fiel hin, und als er wieder aufstand, blutete seine Nase. Meine Freunde hielten mich zurück. Gasemu sah mich an und sagte traurig: »Ich konnte doch nicht wissen, dass das passieren würde.«
    Er ging zu einem Mangobaum, setzte sich und wischte sich
    das Blut ab, das ihm aus der Nase tropfte.
    Meine Freunde hatten mich zu Boden gezwungen und

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    stritten nun heftig miteinander. Einige behaupteten, es sei Gasemus Schuld, dass wir unsere Eltern nicht gesehen hatten.
    Andere meinten, das sei es nicht, ganz im Gegenteil: Hätte es ihn nicht gegeben, wären wir alle tot. Mir war es egal. Ich wollte meine Familie sehen, auch wenn das bedeutet hätte, mit ihnen sterben zu müssen. Der Streit eskalierte, meine Freunde fingen an, sich zu treten und zu schlagen und sich gegenseitig zu Boden zu werfen. Alhaji schubste Jumah gegen eines der Häuser, und dessen Hose fing Feuer. Er schrie,
    während er sich im Schmutz wälzte und das Feuer ausschlug.
    Als Jumah aufstand, hob er einen Stein und warf ihn auf Alhaji. Er traf ihn am Hinterkopf. Alhaji lief das Blut den Hals hinunter. Als er es sah, wurde er wütend und ging auf Jumah los, aber Gasemu griff ein. Er zog Alhaji weg und verband ihm den blutenden Kopf mit einem Stück Tuch. Wir standen
    still und zornig in den Ruinen des Dorfes, in dem unsere
    Reise offenbar endete.
    »Daran ist niemand schuld«, sagte Gasemu langsam. Seine
    Worte machten mich wütend, und ich wollte wieder auf ihn
    losgehen, doch wir hörten laute Stimmen von Leuten, die
    sich dem Dorf näherten. Wir rannten zur nahe gelegenen
    Kaffeeplantage, legten uns in den Schmutz und beobachteten das Dorf.
    Eine Gruppe von mehr als zehn Rebellen marschierte ins
    Dorf. Sie lachten und klatschten einander in die Hände. Zwei von ihnen schienen nur wenig älter als ich. Sie hatten Blut auf der Kleidung, und einer von ihnen trug den Kopf eines Mannes, den er an den Haaren festhielt. Der Kopf sah aus, als könnte er immer noch spüren, dass man ihn an den Haaren
    zog. Blut tropfte von der Stelle, an der einmal der Hals gewesen war. Ein anderer Rebell trug einen Benzinkanister und eine große Schachtel Streichhölzer. Die Rebellen setzten sich auf den Boden und fingen an, Karten zu

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