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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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Händen die AK-47. Ich zö-
    gerte kurz, aber er drückte sie mir an die Brust. Mit bebenden Händen nahm ich die Kalaschnikow, salutierte und rann-te ans hintere Ende der Schlange, hielt das Gewehr fest, traute mich aber nicht, es anzusehen. Ich hatte noch nie so lange ein Gewehr in Händen gehalten, und es machte mir Angst. Das
    Einzige, was auch nur entfernt daran herankam, war ein
    Spielzeuggewehr aus Bambus gewesen, mit dem ich gespielt
    hatte, als ich elf Jahre alt war. Meine Spielkameraden und ich hatten solche Gewehre geschnitzt und in den Kaffeeplantagen und den Rohbauten der Häuser im Dorf meiner Großmutter
    Krieg gespielt. »Peng-Peng«, hatten wir gerufen, und wer
    zuerst gerufen hatte, würde anschließend dem Rest mitteilen, wer nun tot war.
    Wir setzten das Training fort, diesmal jedoch mit den Ka-
    laschnikows, die allerdings nicht geladen waren. Wir krochen mit den Gewehren auf dem Rücken oder in den Armen he-128
    rum und rannten mit ihnen um das Gebäude. Die Gewehre
    waren ein wenig zu schwer für Sheku und Josiah, die sie immer wieder fallen ließen und im Rennen wieder aufhoben.
    Wir machten einige Minuten Mittagspause und begannen mit
    einer neuen Übung. Wir wurden zu einer nahe gelegenen
    Bananenplantage geführt, wo wir die Bananenstauden mit
    Bajonetten erstachen. »Stellt euch vor, die Bananenstaude ist der Feind, der Rebell, der eure Eltern, eure Familie getötet hat und der für alles verantwortlich ist, was euch widerfahren ist«, schrie der Corporal. »Stecht ihr so auf jemanden ein, der eure Familie auf dem Gewissen hat?«, fragte er. »Ich würde das so machen.« Er zog sein Bajonett, schrie laut und stach auf die Bananenstaude ein. »Zuerst steche ich ihm in den Bauch, dann in den Hals, zum Schluss ins Herz, das schneide ich heraus und zeige es ihm, dann reiße ich ihm die Augen aus.
    Denkt immer dran: Wahrscheinlich hat er eure Eltern auf
    entsetzlichere Weise getötet. Los, weiter!« Er wischte das Messer mit Bananenblättern ab. Nachdem er uns so motiviert hatte, waren wir alle wütend und rammten unsere Messer in die Bananenstauden, bis sie zu Boden gingen. »Gut«, sagte er und nickte. Irgendetwas ließ ein lang anhaltendes Lächeln auf seinem Gesicht erscheinen, wie wir es von ihm nicht gewohnt waren. Immer und immer wieder sagte er während
    des Trainings denselben Satz: Stellt euch den Feind vor, den Rebellen, der eure Eltern, eure Familie getötet hat und der für alles verantwortlich ist, was euch widerfahren ist.
    An jenem Nachmittag lernten wir, wie man das Magazin
    in das Gewehr einsetzt und anderes Grundlagenwissen. Ver-
    gesst das Sichern, sagte er, das kostet nur Zeit. An jenem Abend lernten wir zu schießen. Wir zielten auf Sperrholzplat-ten, die in den Ästen kleiner Bäume am Waldrand aufgestellt waren. Sheku und Josiah waren nicht stark genug, um ihre
    Waffen aus eigener Kraft zu halten, deshalb gab der Corporal jedem von ihnen einen Barhocker, auf dem sie ihre Waffen
    abstützen konnten. Am Ende der Schießübung wurde uns
    beigebracht, wie wir unsere Gewehre auseinandernehmen
    und ölen mussten, denn die AKs waren so alt, dass sie gelegentlich einfach so losgingen oder gar nicht mehr funktio-129
    nierten. An jenem Abend waren meine Zeltkameraden einge-
    schlafen, kaum dass wir uns hingelegt hatten. Statt wie sonst im Schlaf zu lächeln, sagte Sheku »Peng-Peng-Peng« und
    Josiah raunte: »eins, zwei«, denn das hatten wir gerufen, als wir die Bananenstauden erstachen. Obwohl ich erschöpft
    war, konnte ich nicht einschlafen. In meinen Ohren dröhnte der Klang der Gewehre, mein Körper schmerzte, und mein
    Zeigefinger war wund. Den ganzen Tag über war keine Zeit
    zum Nachdenken gewesen, aber nun hatte ich Gelegenheit
    dazu. Ich konnte wütend werden, mir vorstellen, wie ich
    einen Rebellen erschoss oder niederstach. »Die Rebellen sind für alles verantwortlich, was euch widerfahren ist.« Ich stellte mir vor, wie ich mehrere Rebellen gleichzeitig einfing, sie in ein Haus einsperrte, Benzin darübergoss und ein Streichholz daraufwarf. Wir sahen zu, wie es brannte – und ich lachte.
    Das Summen eines Jungen namens Lansana lenkte mich
    ab. Er lag drei Zelte von mir entfernt. Manchmal summte er vor dem Einschlafen Melodien von Liedern, die ich noch nie gehört hatte. Nach unserer ersten Schießübung hatte er damit angefangen. Seine Stimme hallte im dunklen Wald wider,
    und immer, wenn er aufhörte, wurde die Nacht noch stiller.

    130
    13
    Es muss Sonntagmorgen

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