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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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Corporal meinte, das steigere eure Energie«, verkündete der Soldat mit einem wissenden Lächeln im Gesicht. Kaum hatten wir die Tabletten geschluckt, war es Zeit aufzubrechen. Die erwachsenen Soldaten gingen voraus. Einige trugen zu zweit Munitionskisten, die so lang waren wie zwei Zementsteine, andere hatten halbautomatische Maschinengewehre und Panzerfäuste dabei. Ich hielt meine Kala-
    schnikow in der rechten Hand, die Mündung zeigte auf den
    Boden. Ich hatte ein weiteres Magazin mit Klebeband an dem Gewehr befestigt. Mein Bajonett hing links an meiner Hüfte, und einige Magazine und lose Kugeln trug ich in der Seitentasche. In meinem Rucksack hatte ich noch mehr Magazine
    und lose Kugeln. Josiah und Sheku ließen die Mündungen
    ihrer Gewehre über den Boden schleifen, da sie immer noch nicht stark genug waren, die Gewehre, die größer waren als sie selbst, zu tragen. Wir sollten am Abend zurückkehren, deshalb hatten wir keine Lebensmittel und kein Wasser dabei.
    »Im Wald gibt es viele Bäche«, hatte der Lieutenant gesagt und war weggegangen. Er hatte es dem Corporal überlassen, den Vortrag, den er begonnen hatte, zu beenden. »Man
    nimmt besser mehr Munition mit, kein Essen und Wasser.
    Denn mit mehr Munition werden wir Wasser und Essen auf-
    treiben können, aber nur mit mehr Wasser und Essen werden wir das Ende des Tages nicht erleben«, erklärte der Corporal.
    Die Frauen und älteren Menschen im Dorf standen auf
    den Veranden und sahen zu, wie wir von den erwachsenen
    Soldaten auf die Lichtung und in den Wald geführt wurden.

    133
    Ein Baby schrie hemmungslos in den Armen seiner Mutter,
    als wüsste es, was uns bevorstand. Die Sonne malte unsere Schatten auf den Boden.
    Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so viel Angst
    gehabt, irgendwo hinzugehen, wie an jenem Tag. Selbst eine vorbeiflitzende Eidechse jagte mir einen Riesenschrecken ein.
    Ein leichter Wind ging und fuhr mir derart in die Glieder, dass ich die Zähne vor Schmerz aufeinanderbiss. Tränen traten mir in die Augen, aber ich kämpfte darum, mir nichts
    anmerken zu lassen, und klammerte mich trostsuchend an
    mein Gewehr. Wir liefen dem Wald in die Arme, hielten
    unsere Gewehre, als seien sie die einzigen Dinge, die uns Stärke verliehen. Wir atmeten leise aus, fürchteten, dass uns schon das bloße Atmen das Leben kosten könnte. Der Lieutenant führte die Reihe an, zu der ich gehörte. Er hob die Faust in die Luft, und wir blieben reglos stehen. Dann nahm er sie langsam wieder herunter, und wir kauerten auf einem Bein, suchten mit den Augen den Wald ab. Ich wollte mich
    umdrehen und meinen Freunden in die Gesichter sehen, aber ich konnte es einfach nicht. Wir bewegten uns schnell durch die Büsche, bis wir den Rand eines Sumpfes erreichten, wo wir einen Hinterhalt bildeten, die Gewehre auf den Sumpf
    gerichtet. Wir lagen flach auf dem Bauch und warteten. Ich lag neben Josiah. Dann waren da Sheku und ein erwachsener Soldat zwischen mir, Jumah und Musa. Ich suchte ihren
    Blick, aber sie konzentrierten sich auf das unsichtbare Ziel im Sumpf. Meine Augenlider taten weh, und der Schmerz stieg
    mir allmählich zu Kopf. Meine Ohren wurden heiß, und
    Tränen liefen mir über die Wangen, obwohl ich nicht wein-
    te. Die Adern auf meinen Armen traten hervor, und ich spür-te, wie es darin pulsierte, als hätten sie von sich aus zu atmen begonnen. Wir warteten in der Stille wie Jäger, unsere Finger streichelten behutsam den Abzug. Die Stille war unerträglich.
    Die niedrigeren Bäume im Sumpf begannen zu beben, als
    sich die Rebellen einen Weg hindurchbahnten. Noch waren
    sie nicht zu sehen, aber der Lieutenant hatte die Nachricht flüsternd weitergegeben, und sie wanderte nun jeweils zum nächsten: »Auf meinen Befehl hin feuern!« Wir beobachteten, 134
    wie eine Gruppe Männer in Zivilkleidung hinter niedrigem
    Gebüsch hervorkam. Sie winkten weitere Kämpfer heran.
    Einige waren jünger, nicht älter als wir. Sie setzten sich in eine Reihe, fuchtelten mit den Händen und planten eine
    Strategie. Der Lieutenant befahl den Abschuss einer Granate, doch der Kommandant der Rebellen hörte das nahende Zischen und befahl seinen Männern den Rückzug, sodass die
    explodierende Granate nur wenige erwischte, deren zerfetzte Körper in die Luft flogen. Der Explosion folgte ein Schusswechsel. Ich lag auf dem Boden, das Gewehr vor mir, aber
    ich war nicht in der Lage zu schießen. Mein Zeigefinger war taub geworden. Der Wald drehte sich um mich. Ich

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