Rueckkehr ins Leben
hatte das Gefühl, als hätte sich der Boden verkehrt und ich würde he-runterfallen, deshalb klammerte ich mich mit einer Hand an einen Baum. Ich konnte nichts denken, aber ich hörte das
Geräusch der Gewehre in der Ferne und die Schreie der
Menschen, die qualvolle Tode starben. Ich war in eine Art Albtraum versunken. Ein Blutspritzer traf mich im Gesicht.
Während ich vor mich hin starrte, hielt ich den Mund leicht geöffnet, deshalb schmeckte ich das Blut. Als ich ausspuckte und es mir aus dem Gesicht wischte, sah ich den Soldaten, von dem es stammte. Blut strömte aus den Einschussstellen wie Wasser, das sich Bahn bricht. Seine Augen waren weit
aufgerissen; noch immer umklammerte er sein Gewehr. Mei-
ne Augen klebten an ihm, als ich Josiah schreien hörte. Er schrie mit der durchdringendsten Stimme, die ich je gehört hatte, nach seiner Mutter. Sein Schreien vibrierte derart in meinem Kopf, dass ich das Gefühl hatte, mein Gehirn hätte sich aus seiner Verankerung gelöst.
Die Sonne ließ die Gewehrmündungen und die Kugeln
aufblitzen, die uns entgegenflogen. An einer kleinen Palme stapelten sich bereits die Körper der Toten, Blut tropfte von den Palmwedeln. Ich suchte Josiah. Ein Panzerfaustgeschoss hatte seinen winzigen Körper weggeschleudert, und er war
auf einem Baumstumpf gelandet. Er strampelte mit den Bei-
nen, während sein Schreien allmählich verstummte. Überall war Blut. Es schien, als regnete es aus allen Richtungen Kugeln in den Wald. Ich kroch zu Josiah hinüber und sah ihm 135
in die Augen. Tränen standen darin und seine Lippen bebten, aber er konnte nicht sprechen. Während ich ihn betrachtete, wich das Wasser in seinen Augen dem Blut, das seine braunen Augen rasch rötete. Er griff nach meiner Schulter, als wollte er sich daran festhalten, um sich hochzuziehen. Aber auf halbem Weg hörte er auf, sich zu bewegen. Die Schüsse wurden leiser in meinem Kopf, als hätte mein Herz aufgehört zu
schlagen und als sei auch die ganze Welt um mich herum
stehen geblieben. Ich schloss ihm die Augen und zog ihn
vom Baumstumpf weg. Sein Rückgrat war zertrümmert. Ich
legte ihn flach auf den Boden und nahm mein Gewehr. Mir
war nicht bewusst gewesen, dass ich aufgestanden war, um
Josiah vom Baumstumpf zu heben. Ich merkte, wie mich
jemand an den Füßen zog. Es war der Corporal; er sagte etwas, das ich nicht verstand. Sein Mund bewegte sich, und er war entsetzt. Er zog mich runter, und als ich zu Boden ging, spürte ich wieder, wie mein Gehirn in meinem Schädel zitterte und meine Taubheit verschwand.
»Runter«, schrie er. »Schieß«, befahl er mir, als er davon-kroch und seine Position wieder einnahm. Als ich zu ihm
hinsah, fiel mein Blick auf Musa, dessen Kopf blutüberströmt war. Seine Hände lagen seltsam leblos da. Ich wandte mich zum Sumpf, von wo aus Schützen auf uns zugerannt kamen.
Mein Gesicht, meine Hände, mein Hemd und meine Waffe
waren voller Blut. Ich hob mein Gewehr, drückte ab und
tötete einen Mann. Plötzlich spulten sich alle Massaker in meinem Kopf ab, die ich seit dem Tag gesehen hatte, an dem ich zum ersten Mal mit dem Krieg in Berührung gekommen
war, als hätte sie jemand gefilmt. Jedes Mal, wenn ich zu schießen aufhörte, um ein Magazin zu wechseln, und dabei
meine beiden jungen leblosen Freunde sah, richtete ich wü-
tend das Gewehr auf den Sumpf und tötete noch mehr Men-
schen. Ich schoss auf alles, was sich bewegte, bis wir den Befehl zum Rückzug erhielten, weil wir eine andere Strategie brauchten.
Wir nahmen den Leichen unserer Freunde die Gewehre
und die Munition ab und ließen sie im Wald liegen, der ein Eigenleben zu entwickeln schien, als wären die Seelen der 136
Getöteten dort gefangen. Die Äste der Bäume sahen aus, als würden sie sich gegenseitig an den Händen halten und die
Köpfe wie im Gebet neigen. Wir kauerten uns in die Büsche und bildeten einen weiteren Hinterhalt ein paar Meter von unserer ursprünglichen Position entfernt. Wieder warteten wir. Es war zwischen Abend und Nacht. Eine einsame Grille fing an, ihr Lied zu singen, aber keiner ihrer Kameraden fiel ein, weshalb auch sie wieder verstummte und mit der Stille auch die Nacht anbrach. Ich lag neben dem Corporal, dessen Augen stärker gerötet waren als sonst. Er ignorierte mein Starren. Wir hörten Schritte auf dem getrockneten Gras und zielten sofort. Eine Gruppe bewaffneter Männer und Jungen kroch geduckt aus den Büschen hervor und ging schnell hinter Bäumen in
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