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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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Mitarbeiter hatten die Jungen gebeten,
    einen Talentwettbewerb auszutragen. Im Prinzip sollten wir einfach alle irgendetwas machen, das wir besonders gut konnten. »Du kannst deine Reggaesongs singen«, schlug Esther vor.
    »Wie wär’s mit einem Shakespeare-Monolog?«, fragte ich.
    »Okay, aber ich finde, du solltest auch Musik machen.« Sie legte die Arme um mich. Ich mochte Esther inzwischen sehr gerne, aber ich ließ es mir nicht anmerken. Immer wenn sie mich drückte oder die Arme um mich legte, befreite ich mich schnell wieder. Aber wenn sie ging, sah ich ihr immer nach.
    Sie hatte einen einzigartigen, eleganten Gang. Es war fast, als würde sie über dem Bodenschweben. Nach dem Unterricht
    rannte ich zu ihr und erzählte ihr von meinem Tag. Meine
    Freunde Mambu und Alhaji machten sich über mich lustig.
    »Deine Freundin ist da, Ishmael. Kriegen wir dich dann heute Nachmittag überhaupt noch mal zu Gesicht?«
    Die Besucher von der Europäischen Union, der UN,
    UNICEF und von verschiedenen NGOs trafen eines Nach-
    mittags mit einem Autokonvoi ein. Sie trugen Anzüge und
    Krawatten und schüttelten sich gegenseitig die Hände, bevor sie durch das Center spazierten. Ein paar Jungen folgten ihnen. Ich saß mit Mambu auf der Veranda. Alle Besucher lä-
    chelten, rückten sich die Krawatten gerade oder machten sich 195
    Notizen auf kleinen Blöcken, die sie mit sich herumtrugen.
    Ein paar von ihnen sahen sich unsere Schlafplätze an, andere zogen ihre Jacken aus und spielten Armdrücken und Tauzie-hen mit den Jungen. Danach wurden wir alle in den Speise-
    saal geführt, der für den Talentwettbewerb sehr schön ge-
    schmückt worden war. Mister Kamara, der Leiter des Cen-
    ters, sagte ein paar Worte zur Begrüßung, und danach erzählten die Jungen Geschichten von Ungeheuern und von Bra
    Spider und führten Stammestänze auf. Ich rezitierte einen Monolog aus Julius Cäsar und führte ein kleines HipHop-Theaterstück über die Rettung eines ehemaligen Kindersoldaten auf, das ich mit Esthers Unterstützung geschrieben hatte.
    Nach dieser Veranstaltung war ich im Center bestens be-
    kannt. Mister Kamara rief mich eines Morgens zu sich ins
    Büro und sagte: »Du und deine Freunde, ihr habt die Besu-
    cher wirklich beeindruckt. Sie wissen jetzt, dass es möglich ist, euch Jungen zu rehabilitieren.« Ich war nur glücklich, dass ich mal wieder die Gelegenheit bekommen hatte, in Frieden aufzutreten. Mister Kamara war guter Dinge.
    »Was hältst du davon, wenn wir dich zum Sprecher dieses
    Centers ernennen?«, fragte er mich.
    »Hm, was muss ich denn da machen oder sagen?«, fragte
    ich zögernd. Allmählich ging mir das alles zu weit.
    »Naja, zunächst mal schreiben wir etwas für dich, das du
    vorlesen kannst, wenn es eine Veranstaltung zum Thema
    Kindersoldaten gibt. Wenn du das drauf hast, kannst du deine eigenen Reden schreiben, oder was du willst.« Mister Kamaras Gesicht sagte mir, dass er es ernst meinte. Keine ganze Woche später sprach ich schon auf Versammlungen in Freetown über das Kindersoldatenwesen und dass dem ein Ende
    gemacht werden müsse. »Wir können rehabilitiert werden«,
    betonte ich und zeigte auf mich als Beispiel. Ich erklärte den Menschen stets, dass ich davon überzeugt war, dass Kinder die Widerstandskraft besitzen, über ihre Leiden hinwegzu-kommen, sofern man ihnen die Chance dazu gibt.
    Ich war bereits volle sechs Monate im Center, als mein
    Freund Mohamed, den ich aus meiner Kindheit kannte, ein-
    traf. Das letzte Mal hatte ich ihn gesehen, als ich mit Talloi 196
    und Junior Mogbwemo verlassen hatte, um in Mattru Jong
    aufzutreten. Er hatte an jenem Tag nicht mit uns kommen
    können, da er seinem Vater bei der Renovierung der Küche
    helfen musste. Ich hatte mich oft gefragt, was wohl aus ihm geworden sein mochte, aber ich hätte nie gedacht, dass ich ihn noch einmal Wiedersehen würde. Ich kam an jenem
    Abend von einer Veranstaltung in der St. Edward’s Secondary School zurück, als ich den hellhäutigen, dürren Jungen mit den knochigen Wangen sah, der alleine auf den Stufen saß. Er kam mir bekannt vor, aber ich war nicht sicher, ob ich ihn schon einmal gesehen hatte. Als ich näher kam, sprang er auf.
    »Hey Mann, erinnerst du dich an mich?«, rief er und fing
    an, den Running Man zu tanzen und »Here Comes the
    Hammer« zu singen.
    Ich fiel in seinen Gesang ein und wir machten einige der
    Bewegungen, die wir gemeinsam zu diesem Song einstudiert
    hatten. Wir klatschten uns

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