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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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aufmerksam ins Gesicht und fuhr dann fort. »Ich hab dir gleich gesagt, das scheint ein guter Mann zu sein.«
    Mein Onkel kam durch die Tür und wischte sich, bevor
    er mich umarmte, die schweißnasse Stirn mit dem Taschen-
    tuch trocken. Noch bei der Umarmung begrüßte er Esther.
    Kaum hatten wir uns voneinander gelöst, da lächelte er so breit, dass sich meine Gesichtszüge entspannten und auch ich lächelte. Er stellte seine Tasche auf den Boden und zog ein paar Kekse und eine Flasche kaltes Ingwerbier heraus.
    »Ich dachte, vielleicht brauchst du ein bisschen Treibstoff für unseren Spaziergang«, sagte er und gab mir die Mitbring-sel.

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    »Ihr beiden solltet die Schotterstraße den Hügel hinaufgehen«, schlug Esther vor. Mein Onkel und ich nickten zu-
    stimmend.
    »Ich bin dann schon weg, wenn ihr zurückkommt. War
    schön, Sie wiedergesehen zu haben«, sagte sie und sah meinen Onkel an. Zu mir gewandt sagte sie: »Wir sehen uns morgen.«
    Mein Onkel und ich verließen die Krankenstation und
    gingen in die Richtung, die Esther vorgeschlagen hatte. Am Anfang waren wir still. Ich horchte auf unsere Schritte auf der staubigen Straße. Ich konnte das Klappern der Eidechsen hö-
    ren, die die Straße überquerten, um auf den Mangobaum auf der anderen Seite zu klettern. Ich spürte den Blick meines Onkels auf mir ruhen.
    »Wie ist es hier denn so? Behandeln sie dich gut?«, fragte mein Onkel.
    »Hier ist alles wunderbar«, erwiderte ich.
    »Ich hoffe, du bist nicht so still wie dein Vater.« Er wischte sich über die Stirn und fragte dann: »Hat dir dein Vater jemals von seinem Zuhause erzählt?«
    »Manchmal hat er das getan, aber nicht so oft, wie ich es mir gewünscht hätte.« Ich hob den Kopf und sah meinem
    Onkel kurz in seine freundlichen, einladenden Augen, bevor ich wieder wegsah. Die Schotterstraße wurde schmaler, je
    näher wir dem Hügel kamen. Ich erzählte, dass mein Vater
    ihn jedes Mal erwähnt hatte, wenn er von seiner schwierigen Kindheit sprach. Ich erwähnte auch, dass mir mein Vater er-zählt hatte, wie sie zusammen Feuerholz im Busch gesammelt und aus Versehen einen Bienenstock aufgescheucht hatten.
    Die Bienen hatten sie bis in ihr Dorf verfolgt. Da mein Vater kleiner war, hatten sich die meisten Bienen um den Kopf
    meines Onkels versammelt. Die beiden rannten und sprangen in einen Fluss, aber die Bienen kreisten über dem Wasser und warteten, bis sie wieder auftauchten. Sie mussten Luft holen, deshalb sprangen sie aus dem Wasser und rannten in ihr Dorf, immer die Bienen im Gefolge.
    »Ja, ich erinnere mich. Alle waren sauer auf uns, weil wir die Bienen ins Dorf gebracht haben und sie die alten Männer, 202
    die nicht schnell genug wegrennen konnten, und ein paar
    kleine Kinder stachen. Dein Vater und ich versperrten die Tür, versteckten uns unter dem Bett und lachten wegen des ganzen Aufruhrs.« Mein Onkel kicherte, und ich konnte
    nicht anders, als auch zu lachen. Als er nicht mehr lachte, seufzte er und sagte: »Ach, dein Vater und ich, wir haben so viel angestellt. Wenn du auch so ein Unruhestifter bist, wie wir welche waren, dann lass ich dir das durchgehen, denn es wäre nicht gerecht, wenn ich es dir übel nähme.« Damit legte er mir den Arm um die Schulter.
    »Ich glaube, die Zeit der Streiche hab ich lange hinter
    mir«, sagte ich traurig.
    »Ach was, du bist immer noch ein Junge, du hast immer
    noch Zeit für ein paar Streiche«, sagte mein Onkel. Wir waren wieder still und lauschten dem Abendwind, der durch die Bäume fegte.
    Ich liebte die Spaziergänge mit meinem Onkel, weil sie
    mir Gelegenheit gaben, über meine Kindheit zu sprechen
    und darüber, wie ich mit meinem großen Bruder bei meinem
    Vater aufgewachsen war. Ich musste über die guten Zeiten
    vor dem Krieg sprechen. Aber je mehr ich über meinen Vater redete, desto mehr vermisste ich auch meine Mutter und
    meinen kleinen Bruder. Mit ihnen war ich nicht aufgewach-
    sen. Ich hatte das Gefühl, als hätte ich eine Chance verpasst, die ich nie wieder bekommen würde, und das machte mich
    traurig. Ich sprach mit meinem Onkel darüber, doch er
    konnte mir nur zuhören, denn er hatte weder meine Mutter
    noch meinen kleinen Bruder gekannt. Zum Ausgleich ließ er mich von der Zeit erzählen, in der ich mit meiner Familie in Mattru Jong gelebt hatte, als meine Eltern noch zusammen
    waren. Aber auch da gab es nicht so viel zu berichten, denn meine Eltern hatten sich getrennt, als ich noch sehr klein war.
    Ich lernte meinen

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