Rueckkehr ins Leben
wir uns die Hände gewaschen hatten, wurde
mein Cousin Allie, der einundzwanzig Jahre alt war, auf die Veranda gerufen und gebeten, mir zu zeigen, wo ich schlafen sollte. Ich nahm meine Plastiktüte und folgte ihm in ein anderes Haus, das sich hinter dem Schlafzimmer meines Onkels befand. Die Verbindung zwischen beiden Häusern war ein Fuß-
weg, der sorgfältig auf beiden Seiten mit Steinen umgrenzt war.
Allie hielt mir die Tür auf, als ich das saubere, aufgeräumte Zimmer betrat. Das Bett war gemacht, die Kleidung, die über einem Stuhl hing, war gebügelt, die Schuhe standen ordentlich auf einem Gestell aufgereiht, und der braune Fliesenboden glänzte. Er zog eine Matratze unter dem Bett hervor und erklärte mir, dass ich auf dem Boden schlafen würde, da er sich mit seinem Zimmergenossen das Bett teilte. Jeden Morgen sollte ich die Matratze zusammenlegen und wieder unter das Bett schieben. Nachdem er erklärt hatte, wie ich helfen konnte, das Zimmer sauber und ordentlich zu halten, ging ich wieder auf die Veranda und setzte mich zu meinem Onkel.
Er legte den Arm um mich und zog mich an der Nase.
»Kennst du die Stadt?«, fragte mein Onkel.
»Nicht so richtig.«
»Allie kann dich ja mal rumführen, wenn du magst. Oder
du kannst selbst losziehen, dich verlaufen und versuchen, dich zurechtzufinden. Das ist ganz gut, um die Stadt kennen zu lernen.« Er schmunzelte. Wir hörten Gebetsrufe, die durch die Stadt hallten.
»Ich gehe beten. Wenn du was brauchst, frag deinen Cou-
sin und deine Cousinen«, sagte er, nahm den Kessel von den Stufen und wusch sich. Als er fertig war, ging er den Hügel hinunter in eine nahe gelegene Moschee. Meine Tante kam
aus dem Zimmer, band sich ein Tuch um den Kopf und folg-
te meinem Onkel.
Ich saß alleine auf der Veranda und seufzte. Ich war nicht 211
mehr nervös, aber ich vermisste Benin Home. Später am
Abend, als mein Onkel und meine Tante aus der Moschee
zurück waren, versammelte sich meine neue Familie um ei-
nen Kassettenrekorder herum auf der Veranda und hörte Ge-
schichten. Mein Onkel rieb sich die Hände, drückte auf Start, und ein berühmter Geschichtenerzähler namens Leleh
Gbomba erzählte von einem Mann, der auf Weltreise ging,
aber sein Herz zu Hause vergessen hatte. Ich hatte die Geschichte im Dorf meiner Großmutter gehört, als ich noch
klein war. Meine neue Familie lachte ständig, während die Geschichte erzählt wurde. Ich lächelte nur und war an jenem Abend sehr ruhig, was auch noch eine ganze Weile lang so
blieb. Aber allmählich gewöhnte ich mich daran, bei Leuten zu wohnen, die ununterbrochen glücklich waren.
Einen oder zwei Tage, nachdem ich zu meinem Onkel
gezogen war, schenkte mir Allie mein erstes Paar richtige Schuhe, einen echten Gürtel und ein schickes Hemd.
»Wenn du ein Gentleman sein willst, musst du dich auch
so anziehen.« Er lachte. Ich wollte ihn gerade fragen, wieso er mir das alles schenkte, als er mir erklärte: »Großes Geheimnis!
Ich will heute Abend mit dir tanzen gehen, damit du ein bisschen Spaß hast. Wir gehen aber erst, wenn der Onkel im Bett ist.« In jener Nacht schlichen wir uns weg und gingen zum Tanz in ein Pub. Auf dem Weg dorthin fiel mir wieder ein, dass ich früher mit Freunden aus meiner Schule auch tanzen gegangen war. Das schien so lange her zu sein, obwohl ich mich immer noch an die Namen der Tanzabende erinnerte:
»Back to School«, »Pens Down!«, »Bob Marley Night« und
viele andere mehr. Wir tanzten dann bis zum ersten Hahnenschrei, zogen unsere verschwitzten Hemden aus und ließen uns auf dem Weg zurück in unsere Schlafsäle die kühle Morgenluft um die Nase wehen. Damals war ich wirklich glücklich.
»Wir sind da«, sagte Allie, schüttelte meine Hand und
schnippte mit den Fingern. Viele junge Leute standen
Schlange am Einlass. Die Jungen waren allesamt gut gekleidet, ihre Hosen waren gebügelt, und sie hatten die Hemden in die Hosen gesteckt. Die Mädchen trugen wunderschöne
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Kleider mit Blumenmustern und Schuhe mit hohen Absät-
zen, die sie oft größer machten als die Jungen, mit denen sie gekommen waren. Ihre Lippen waren in grellen Farben ge-schminkt. Allie war aufgeregt und plauderte mit den Leuten vor uns in der Schlange. Ich war still, betrachtete die bunten Lichter am Eingang. Eines davon, ein großes blaues Licht, ließ die weißen Hemden der Leute besonders schön aussehen.
Endlich erreichten wir den Eingang, wo Allie für uns beide zahlte. Drinnen war die
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