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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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Musik extrem laut, aber ich war ja auch viele Jahre in keinem Pub mehr gewesen. Ich folgte
    Allie in den Barbereich, wo wir einen Tisch fanden und uns auf zwei Barhocker setzten.
    »Ich geh tanzen«, schrie Allie in meine Richtung. Er ver-
    schwand in der Menge. Ich blieb eine Weile sitzen, sah mich erst einmal genau um, dann begann ich langsam alleine am
    Rand der Tanzfläche zu tanzen. Plötzlich, bevor ich mich
    wehren konnte, zog mich ein sehr dunkelhäutiges Mädchen,
    dessen Lächeln die Tanzfläche erstrahlen ließ, mitten ins Ge-wühl. Sie tanzte sehr eng mit mir. Ich sah mich nach Allie um, der an der Bar stand. Er hielt die Daumen hoch, und ich fing an, mich langsam zu bewegen, bis der Rhythmus Besitz von mir ergriff. Ich tanzte einen Ragga-Song mit dem Mädchen und dann einen Slow Jam. Sie zog mich an sich heran, und ich hielt sachte ihre Hand, während wir uns im Takt der Musik wiegten. Ich spürte, wie ihr Herz klopfte. Sie versuchte, mir in die Augen zu sehen, aber ich wich ihrem Blick aus.
    Mitten im Song wurde sie von einem älteren Jungen von mir weggezogen. Sie winkte mir nach, als sie durch die Menge
    zur Tür geführt wurde.
    »Du bist echt cool, Mann.« Allie stand jetzt neben mir. Er ging zur Bar, und ich folgte ihm. Wir lehnten am Tresen und sahen auf die Tanzfläche. Er lächelte immer noch.
    »Ich hab gar nichts gemacht. Sie wollte mit mir tanzen,
    und ich konnte doch nicht ablehnen«, sagte ich.
    »Genau, du sagst nichts und lässt die Frauen zu dir kom-
    men«, zog er mich auf. Ich wollte nicht mehr reden. Die
    Erinnerung an einen Ort, den wir während einer Schulfeier angegriffen hatten, war wieder erwacht. Ich konnte die ent-213
    setzten Schreie der Lehrer und Schüler hören und sah, wie das Blut die Tanzfläche bedeckte. Allie tippte mir auf die Schulter und holte mich in die Gegenwart zurück. Ich lächelte ihn an, blieb aber den Rest des Abends tieftraurig. Wir tanzten die ganze Nacht und kehrten zurück, bevor mein
    Onkel aufwachte.
    Ein paar Abende später ging ich alleine zurück in das Pub und sah dasselbe Mädchen wieder. Sie sagte, ihr Name sei Zainab.
    »Tut mir leid wegen neulich«, sagte sie. »Mein Bruder
    wollte nach Hause und ich musste mitkommen, sonst hätten
    sich meine Eltern Sorgen gemacht.«
    Wie ich war auch sie an jenem Abend alleine.
    Ich verabredete mich drei Wochen lang immer wieder mit
    ihr, aber dann fing sie an, zu viele Fragen zu stellen. Sie wollte wissen, wo ich herkam und wie es sei, upline aufzuwach-sen? Upline ist ein Krio-Wort und wird vor allem in Free-
    town als Bezeichnung für die Provinzialität des Landesinneren, seiner Bewohner und ihrer Gepflogenheiten benutzt. Ich wollte ihr nichts erzählen, deshalb machte sie Schluss mit mir.
    So waren meine Beziehungen zu Mädchen in Freetown. Sie
    wollten etwas über mich erfahren, und ich war nicht bereit, ihnen von mir zu erzählen. Für mich war das okay. Ich war gerne allein.
    Leslie kam mich besuchen. Er fragte, wie es mir ging und
    was ich so trieb. Ich wollte ihm erzählen, dass ich einen heftigen Migräneanfall gehabt hatte, bei dem das Bild eines brennenden Dorfes in meinem Kopf aufgeblitzt war gefolgt von
    den Klagerufen vieler verschiedener Stimmen, und dass es mir die Kehle zugeschnürt und den Kopf schwer gemacht hatte,
    so als hätte man einen schweren Felsbrocken darauf gelegt.
    Stattdessen erzählte ich ihm nur, dass alles gut war. Leslie nahm einen Notizblock und schrieb etwas hinein. Als er fertig war, drehte er sich zu mir um und sagte: »Ich will dir einen Vorschlag machen. Es ist wichtig.«
    »Du steckst immer voller Nachrichten, was?«, scherzte ich.
    »Es ist wichtig.« Er sah auf den Block, den er in der Hand hielt und fuhr fort. »Es gibt Bewerbungsgespräche, weil zwei Kinder zu den Vereinten Nationen nach New York, nach

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    Amerika, geschickt werden sollen, damit sie über das Leben von Kindern in Sierra Leone sprechen und darüber, was un-ternommen werden kann, um die Situation zu verbessern.
    Mister Kamara, der Leiter deines ehemaligen Rehabilitationscenters, hat dich empfohlen. Hier ist die Adresse, wenn du Interesse hast.« Er riss das Blatt heraus und gab es mir. Als ich es mir ansah, fuhr er fort: »Wenn du willst, dass ich mitkomme, kannst du zu mir ins Büro kommen. Und zieh dich or-
    dentlich an, okay?« Er sah mir ins Gesicht und suchte nach einer Antwort. Ich sagte nichts. Danach ging er mit einem Lächeln im Gesicht, das darauf schließen ließ, dass er wusste,

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