Rueckkehr ins Leben
gekom-
men war, packte ich meine wenigen Habseligkeiten in eine
Plastiktüte. Ich hatte ein Paar Turnschuhe, vier T-Shirts, drei Shorts, Zahnpasta, eine Zahnbürste, eine Tube Vaseline-Lotion, einen Walkman und ein paar Kassetten, zwei langärmelige Hemden, zwei Hosen und eine Krawatte – die hatte
ich für meine Reden bei den Konferenzen bekommen. Ich
wartete, mein Herz schlug schneller, genauso wie damals, als mich meine Mutter das erste Mal am Internat absetzte. Man hörte, wie der Transporter über die Schotterstraße raste und sich auf das Center zubewegte. Ich nahm meine Plastiktüte und ging zur Krankenstation, wo ich warten sollte. Mohamed, Alhaji und Mambu saßen vorne auf den Stufen, und
Esther kam lächelnd heraus. Der Transporter bog ein und
hielt am Straßenrand. Es war später Nachmittag, der Himmel war noch immer blau, aber es war diesig und die Sonne versteckte sich hinter einer einsamen Wolke. Leslie saß vorne und wartete, dass ich einstieg, damit er mich in mein neues Zuhause bringen konnte.
»Ich muss gehen«, sagte ich mit zitternder Stimme. Ich
streckte Mohamed die Hand entgegen, aber anstatt sie zu
schütteln, sprang er auf und umarmte mich. Mambu umarmte
mich, während mich Mohamed noch immer umschlang. Er
drückte mich so fest, als wüsste er, dass es ein Abschied für immer war. (Nachdem ich das Center verlassen hatte, kehrte Mambu an die Front zurück, weil sich seine Familie weigerte, ihn wieder aufzunehmen.) Am Ende der Umarmung gab mir
Alhaji die Hand. Wir drückten einander die Hand und starrten uns in die Augen, erinnerten uns an alles, was wir gemeinsam durchgemacht hatten. Ich klopfte ihm auf die
Schulter, und er lächelte, weil er verstand, dass ich ihm damit sagen wollte, dass alles gut werden würde. Ich habe ihn nie wiedergesehen, da er ständig von einer Pflegefamilie zur anderen zog. Nachdem wir uns die Hände geschüttelt hatten,
trat Alhaji zurück, salutierte und flüsterte: »Auf Wiedersehen, 209
Truppenführer.« Ich klopfte ihm noch einmal auf die Schulter; ich konnte nicht salutieren. Esther trat mit feuchten Augen zu mir. Auch sie drückte mich fester als jemals zuvor. Ich erwiderte ihre Umarmung nur schwach, denn ich musste
mich bemühen, meine Tränen zurückzuhalten. Als ich sie
losließ, gab sie mir einen Zettel. »Das ist meine Adresse. Du bist jederzeit willkommen«, sagte sie.
Ein paar Wochen später besuchte ich Esther zu Hause,
doch ich hatte den Zeitpunkt nicht gut gewählt, sie war gerade auf dem Weg zur Arbeit. Sie umarmte mich, und diesmal
drückte auch ich sie ganz fest, was sie zum Lachen brachte.
Sie sah mir unverwandt in die Augen. »Komm mich nächstes
Wochenende besuchen, dann haben wir mehr Zeit, uns alles
zu erzählen, okay?«, sagte sie. Sie trug ihre weiße Uniform und war auf dem Weg zu anderen traumatisierten Kindern.
Es muss hart sein, mit so vielen Kriegsgeschichten zu leben.
Ich musste nur mit einer leben, meiner eigenen, und das war schwer, denn mich quälten immer noch Albträume. Wieso
macht sie das? Wieso machen die alle das?, dachte ich, als wir uns trennten. Es war das letzte Mal, dass ich sie sah. Ich habe sie geliebt, es ihr aber nie gesagt.
Kaum war ich aus dem Wagen gestiegen, nahm mich
mein Onkel in die Arme, hob mich hoch und trug mich auf
die Veranda. »Ich heiße dich heute als unseren Häuptling
willkommen. Deine Füße dürfen den Boden erst berühren,
wenn du dein Amt als Häuptling abgibst, nämlich jetzt«, sagte mein Onkel lachend und setzte mich ab. Ich lächelte, aber ich war nervös. Mein Cousin und meine drei Cousinen – Allie
und die drei Mädchen Matilda, Kona und Sombo – umarm-
ten mich nacheinander, ihre lächelnden Gesichter strahlten.
»Du musst Hunger haben. Ich habe als Willkommensessen
Sackie Thomboi gekocht«, sagte meine Tante. Sie hatte extra für mich zur Begrüßung Maniokblätter mit Huhn gemacht.
Huhn wurde nur sehr selten für jemanden zubereitet, und es galt als große Ehre. Huhn gab es sonst nur an Feiertagen wie Weihnachten oder Neujahr. Tante Sallay hielt meine Hand
und sagte, ich solle mich auf die Bank neben meinen Onkel setzen. Sie brachte das Essen, und mein Onkel und ich aßen 210
gemeinsam mit den Händen vom selben Teller. Das Essen
war gut, und ich leckte mir die Finger ab, ließ mir das fette Palmöl schmecken. Mein Onkel sah mich an, lachte und sagte zu seiner Frau: »Sallay, du hast es mal wieder geschafft. Der hier bleibt bei uns.«
Nachdem
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