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Rueckkehr ins Leben

Rueckkehr ins Leben

Titel: Rueckkehr ins Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ishmael Beah
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Moschee hallten durch die Viertel, Poda podas tummelten sich auf den Straßen, die Kontrolleure hingen in den offenen Türen und riefen die Namen der Zielorte: »Lumley, Lumley«, und »Congo Town«. Es war noch zu früh, als ich eintraf, aber vor den Toren der Botschaft wartete schon eine lange Schlange von Leuten. Ihre Gesichter waren traurig und voller Ungewissheit, als erwarteten sie ein Gerichtsurteil, das über Leben oder Tod entschied. Ich wusste nicht, was ich tun sollte, also stellte ich mich in die Schlange. Nach ungefähr einer Stunde traf Dr. Tamba mit einem anderen Jungen ein und bat mich, ihm zu folgen. Er sah würdevoll aus, weshalb wir, wie ich annahm, nicht in der Schlange warten mussten. Der andere Junge, der ebenfalls Kindersoldat gewesen war, stellte sich selbst vor. »Mein Name ist Bah. Ich freue mich, mit dir auf diese Reise zu gehen«, sagte er und schüttelte mir die Hand.
    Ich dachte daran, was mein Onkel geantwortet hätte: »Mach dir keine allzu großen Hoffnungen, junger Mann.«

    221
    Wir setzten uns auf eine der wenigen sauberen Bänke in
    dem kleinen offenen Bereich der Botschaft und warteten, bis wir an der Reihe waren. Eine weiße Frau stand hinter einer durchsichtigen Glasscheibe, ihre Stimme ertönte über einen Lautsprecher darunter. »Was ist der Zweck Ihres Aufenthalts in den Vereinigten Staaten?«, fragte sie und sah dabei nicht einmal von dem Papier auf, das vor ihr lag.
    Als wir an der Reihe waren, hatte die Frau hinter dem
    Glas bereits unsere Reisepässe in der Hand. Sie sah mich
    nicht an, sondern blätterte die Seiten meines neuen Reisepasses durch. Ich verstand nicht, weshalb die Glasscheibe so an-gebracht war, dass der menschliche Bezug zwischen Fragestel-lerin und Befragtem verloren ging.
    »Sprechen Sie in das Mikrofon«, sagte sie und fuhr fort.
    »Was ist der Zweck Ihres Aufenthalts in den Vereinigten
    Staaten?«
    »Eine Konferenz«, sagte ich.
    »Worum geht es bei der Konferenz?«
    »Es geht um allgemeine Themen, die mit Kindern in aller
    Welt zu tun haben«, erklärte ich.
    »Und wo findet die Konferenz statt?«
    »Bei den Vereinten Nationen in New York.«
    »Gibt es eine Garantie dafür, dass Sie in Ihr Heimatland
    zurückkehren werden?« Ich dachte noch nach, während sie
    schon fortfuhr: »Verfügen Sie über Grundbesitz oder ein
    Bankkonto, die Ihre Rückkehr garantieren?«
    Ich runzelte die Stirn. Wissen Sie irgendwas über das Le-
    ben der Leute in diesem Land?, hätte ich sie gerne gefragt.
    Wenn sie mich nur einmal direkt angesehen hätte, hätte sie die letzten beiden Fragen vielleicht nicht gestellt. Niemand in meinem Alter verfügt in meinem Land über ein Bankkonto
    oder wagt es auch nur, davon zu träumen, von Grundbesitz
    einmal ganz zu schweigen. Dr. Tamba erklärte ihr, er sei unser offizieller Reisebegleiter von der CAW und er würde
    garantieren, dass wir nach Beendigung der Konferenz nach
    Sierra Leone zurückkehrten.
    Die Frau stellte mir ihre letzte Frage: »Kennen Sie jemanden in den Vereinigten Staaten?«

    222
    »Nein, ich habe dieses Land noch nie verlassen, und ich
    bin auch zum ersten Mal in dieser Stadt«, sagte ich. Sie klapp-te meinen Reisepass zu und schob ihn beiseite. »Kommen Sie um halb fünf wieder.«
    Draußen erklärte uns Dr. Tamba, dass wir die Visa be-
    kommen hätten und dass er die Reisepässe abholen und bis zu unserer Abreise behalten würde. Es sah ganz danach aus, als würden wir tatsächlich verreisen, auch wenn ich bislang nur einen kurzen Blick auf meinen Reisepass hatte werfen dürfen.
    Ich hielt meinen Koffer in der rechten Hand und trug
    braune traditionelle Sommerhosen mit Zickzackmuster am
    Saum und ein T-Shirt.
    Mein Onkel saß auf der Veranda, als ich aus Allies Zim-
    mer kam.
    »Ich fahr dann mal zum Flughafen«, sagte ich lächelnd,
    denn ich wusste, mein Onkel würde wieder sarkastische
    Sprüche klopfen.
    »Na klar. Ruf mal an, wenn du in Amerika bist. Ich hab ja gar kein Telefon, aber ruf doch einfach bei Aminata an, dann kann sie mich holen.« Mein Onkel kicherte.
    »In Ordnung, mach ich«, sagte ich und lachte ebenfalls.
    »Kinder, kommt und verabschiedet euch von eurem Bru-
    der. Ich weiß nicht, wo er hingeht, aber er braucht euren Segen«, sagte mein Onkel. Matilda, Kona und Sombo kamen
    mit Eimern in den Händen auf die Veranda. Sie waren auf
    dem Weg zum Wasserholen. Sie umarmten mich und
    wünschten mir viel Glück auf der Reise. Meine Tante kam
    aus der Küche, roch nach Rauch und umarmte mich.

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