Rueckkehr nach Abbeydale
der Kopf, als sie im Geiste noch einmal Revue passieren ließ, was sie zueinander gesagt hatten. Es hatte so viele Mißverständnisse gegeben, schon damals, und das war das verhängnisvollste gewesen.
„Hat Silas Ihnen auch erzählt, warum ich unsere Verlobung gelöst habe?” fragte Kate.
Susie runzelte die Stirn. „Nein.”
„Ich habe ihn mit Ihnen und Ihren Söhnen gesehen. Sie haben ihn geküßt, und ich habe daraus die falschen Schlußfolgerungen gezogen.”
„Und dann haben Sie ihn verlassen, ohne eine Erklärung von ihm zu verlangen. Aber …”
„Ich war achtzehn und hatte kein besonders großes Selbstbewußtsein. Außerdem …” Seufzend schaute Kate aus dem Fenster.
Wenn Susie sich nicht eingemischt hätte, wäre sie, Kate, wieder nach London zurückgekehrt, ohne die Wahrheit zu erfahren. Sie hätte nie erfahren, warum Silas behauptet hatte, er würde wieder nach Äthopien gehen. Sie hätte nie erfahren, daß er sie liebte.
Nachdenklich beobachtete sie Cherry, die mit Susies Söhnen spielte und ihnen offenbar gerade erklärte, wie man einen Hütehund ausbildete. Plötzlich verspürte sie ein tiefes Glücksgefühl.
„Ich hätte mich nicht einmischen dürfen”, bemerkte Susie leise.
Nun drehte Kate sich zu ihr um und lächelte. „Ich bin froh, daß Sie es getan haben. Ich muß Silas sehen. Wissen Sie, wo er ist?”
„Auf dem Hof. Er hat sich Urlaub genommen, um schon mal Aufstellungen darüber zu machen, welche Arbeiten dort zuerst durchgeführt werden müssen. Er glaubt, wir wären ins Dorf gefahren, um einzukaufen”, fügte Susie ironisch hinzu. „Bitte tun Sie es nicht aus Mitleid, Kate”, fuhr sie ernst fort. „Schließlich ist er ein Mann. Wahrscheinlich hat er Sie nur deshalb angelogen, weil er Angst davor hatte, Sie würden ihn bemitleiden. Und dann ist da auch noch Cherry.” Sie trat hinter sie, um ebenfalls aus dem Fenster zu schauen. „Sie wird ihn immer daran erinnern, daß Sie eine Beziehung zu einem anderen Mann hatten, der Ihnen das geben konnte, was Silas Ihnen nie geben kann.”
Ihrem Tonfall war deutlich anzumerken, wie sehr sie ihren Bruder liebte und daß sie sich Sorgen um ihn machte. Daher reagierte sie sichtlich beleidigt, als Kate sich zu ihr umdrehte und sie anlächelte.
„Sie bleiben hier und passen auf Cherry auf, ja?” Ihre Augen funkelten amüsiert, als sie nachdenklich fortfuhr: „Sie hat einige Eigenschaften, die sie von ihrem Vater geerbt haben muß. Bis ich zurück bin, haben Sie sicher genug Zeit, herauszufinden, welche es sind.”
Wieder blickte Susie aus dem Fenster. Cherry befahl dem Hund gerade, sich zu setzen, und als Susie sie betrachtete, wurde ihr klar, was Kate gemeint hatte.
„Mein Gott!” flüsterte Susie unter Tränen. „Sie ist seine Tochter.”
Doch Kate hörte ihr nicht zu. Den Autoschlüssel in einer, die Jacke in der anderen Hand, eilte sie nach draußen.
Silas hatte sie offenbar kommen hören. Als Kate vorfuhr, stand er nämlich im Hof, die Ärmel hochgekrempelt, so daß seine gebräunten Unterarme zu sehen waren. Im Gesicht hatte er einen Schmutzstreifen, und sein Haar war zerzaust. Er wirkte so erschöpft und angespannt, daß sie einen schmerzhaften Stich verspürte, als sie ausstieg.
Sie dachte an all die Dinge, die sie ihm sagen mußte. Ihr war klar, daß sie sich damit auf gefährliches Terrain begab. Andererseits war es sicher nicht nötig, sich die Worte vorher sorgfältig zurechtzulegen.
„Ich muß mit dir reden”, erklärte sie schließlich leise. „Können wir reingehen?”
Schweigend ging Silas voran. In der Küche war es hell, weil die Sonne hereinschien. Die Schrankfronten müssen unbedingt ausgetauscht werden, überlegte Kate, während sie ihm durch die Küche in einen schmalen Flur folgte.
Der Flur führte in eine altmodische geflieste Eingangshalle. Die Wände und Türen dort waren cremefarben gestrichen und sahen mittlerweile etwas schmuddelig aus. Das muß man auch ändern, entschied Kate. Als Silas die Tür zum Wohnzimmer öffnete, hielt sie den Atem an, so erstaunt war sie über den Anblick.
Von dem großen, nach Süden hin liegenden Raum hatte man einen herrlichen Blick auf einen Garten, der früher einmal von einer Mauer umgeben und sicher bezaubernd gewesen war. Die roh verputzten Wände leuchteten rosa im Sonnenlicht, und obwohl der Parkettfußboden stumpf war, brauchte man nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, was man mit ein wenig Einfallsreichtum und viel Liebe aus diesem Raum machen
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