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Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
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gut, und sie war stolz auf ihr zügiges Vorankommen. Doch dann machte sie den Fehler, nach unten zu schauen, und hatte plötzlich das Gefühl, sich an einen fast senkrecht aufragenden Felsen zu klammern. Wie war sie nur in eine solche Situation geraten? Der Hauptweg befand sich direkt unter ihr, Schafe blökten von einer Weide weiter unten herauf. Seid still , herrschte sie sie an, aber die Schafe blökten nur noch lauter. Fast hätte sie gelacht über die absurde Situation.
    Flach und schnell atmend drückte sie sich an den Felsen. Jeden Tag trafen Menschen falsche Entscheidungen, doch nicht alle führten zum Tod. Ganz ruhig bleiben , ermahnte sie sich und wagte sich ein paar Schritte weiter.
Mein Gott. Würde sie je von diesem verdammten Pfad wegkommen?
    »Sieht fast so aus, als hätten Sie einen der schwierigeren Wege dieser Gegend gefunden«, hörte sie da eine Stimme rufen.
    Ihren Schwindelgefühlen zum Trotz schaute sie hinunter und entdeckte einen Mann mit widerspenstigem Haarschopf und für einen Iren ziemlich dunkler Haut. Vermutlich verbrachte er viel Zeit im Freien. Kate fand ihn so attraktiv, dass sie ihn eine ganze Weile anstarrte – die fast schwarzen Augen, die breiten Schultern, die Narbe an seiner Wange, die ihm etwas Geheimnisvolles, Verwegenes verlieh; ihr entgingen auch nicht seine aufrechte Haltung und die Kraft, die er ausstrahlte.
    »Brauchen Sie Hilfe?«, fragte er mit breitem Grinsen.
    »Nein, nein, ich komme schon zurecht«, antwortete sie, verlegen darüber, dass er sie in dieser misslichen Situation gesehen und sie ihn so offen angestarrt hatte. »Ich weiß, was ich tue.«
    »Dann sind Sie also geübt im Klettern?«
    Machte er sich über sie lustig? »Es geht so.« Kate fiel ein Nachmittag im Seattler Vertical Club mit Ella ein. Du siehst in dem Klettergeschirr aus wie eine Domina, während ich mir damit vorkomme wie ein Vollidiot , hatte sie gesagt und so laut gelacht, dass sie das Gleichgewicht verlor und mit dem Kopf nach unten abgeseilt werden musste.
    »Die richtige Kleidung für einen solchen Ausflug tragen Sie aber nicht gerade«, bemerkte er. »Jeans eignen sich nicht sonderlich zum Klettern, vor allem wenn sie eng sitzen.«
    Allmählich begann er ihr auf die Nerven zu gehen. »Zum
Klettern braucht man keine Uniform, nur Beine und Hände und Felsen«, erwiderte sie mit zusammengebissenen Zähnen.
    »Alles da, so viel steht fest. Ich wusste allerdings nicht, dass auch eine scharfe Zunge dazu nötig ist.«
    »Nur in besonderen Fällen.«
    »Eine ganz schön gefährliche Waffe, Ihre Zunge.«
    »Wenn Sie mich entschuldigen würden, ich kann mich nicht konzentrieren, wenn Sie mit mir reden.«
    » Ich muss mich entschuldigen. Ich wollte nicht stören bei Ihrem Rendezvous mit dem Kalksteinfelsen. Brauchen Sie wirklich keine Hilfe?«
    »Nein.« Ihr taten alle Knochen weh.
    »Fast hätt ich’s vergessen: Gehört das Ihnen?« Er hielt eine Seite aus ihrem Block mit Entwürfen für Büstenhalter, Mieder und Höschen hoch. »Das habe ich da drüben gefunden.«
    »Ja.« Jetzt machte er sich bestimmt gleich über ihre Skizzen lustig, und das konnte sie im Augenblick nun wirklich nicht gebrauchen.
    »Ich lege einen Stein drauf, damit der Wind es nicht wegweht.« Er schlenderte ein Stück den Weg hinunter. »Viel Glück mit dem Abstieg – und der Unterwäsche.«
    Sie spürte, wie sie rot wurde. Warum? Wieso war ihr seine Meinung wichtig? Sie wartete, bis er um die Ecke verschwand, bevor sie sich zitternd weiter hinabbewegte. Der Adrenalinstoß, den die Verärgerung über ihn ihr verschafft hatte, kam ihr gerade recht. Als sie endlich den Fuß auf den richtigen Pfad setzte, wäre sie fast vor Erleichterung und Erschöpfung zusammengesackt. Sie holte tief Luft. Nun
merkte sie, dass die Klippe gar nicht so steil gewesen war und sie sich bei einem Sturz schlimmstenfalls etwas gebrochen, den Knöchel verstaucht, einen Muskel gezerrt oder das Knie aufgeschlagen hätte oder auch nur in ihrem Stolz verletzt worden wäre.
    Ihre Zeichnung flatterte, festgehalten durch den Granitbrocken, im Wind. Sie steckte sie, schmutzig, wie sie war, in ihre Tasche und nahm den kugelrunden Stein zur Erinnerung an ihr Abenteuer mit. Der Mann stand schon auf der nächsten Anhöhe, wo der Wind sein Haar zerzauste.

BILD SIEBEN
    Anweisung von ganz oben
    A m folgenden Tag fuhr Kate mit Bernies Drahtesel über die Hügel von Glenmara. Der Sattel knarrte, und die Kette, die klapperte wie ein schlecht sitzendes Gebiss, hätte

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