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Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
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die Seite blieb leer. Kate senkte die Spitze des Stifts aufs Papier, auf dem sich ein Tintenklecks bildete. Sie füllte die Seite mit Kringeln, auf die Tränen tropften, blätterte um und versuchte es von Neuem. Ohne Erfolg.
    Nicht nachdenken. Spielen.

    Wusste sie noch, wie das ging?
    Nach weiteren vergeblichen Versuchen begann schließlich eine Linie übers Papier zu tanzen, Pirouetten zu drehen. Kate lachte, als sie sah, was entstand: Slipmuster für Bernie. Sie hatte noch nie zuvor Unterwäsche entworfen, sich auf größere Kleidungsstücke für eine richtige Modelinie konzentriert. Sie liebte Audrey Hepburn, Gigi Young, Suzy Perette, Jerry Gilden, war damit jedoch hoffnungslos out; der im Moment angesagte Stil orientierte sich an den Siebzigern. Das, was dir gefällt, kauft heutzutage niemand mehr , hatte Jules, wie immer im maßgeschneiderten Anzug von Gian DeCaro, im vergangenen Sommer bei der Durchsicht ihrer Designs im Two Bells Tavern gesagt – ihr erstes Treffen hatte noch im Palm Court des Four Seasons stattgefunden – und unentwegt auf die Uhr gesehen, weil Termine auf ihn warteten, mit Leuten, deren Ideen sich verkauften. Sie hatte versucht zu lächeln, positiv zu wirken, seine Ratschläge anzunehmen, sich jedoch gefühlt wie eine Ertrinkende. Erst hinterher war ihr aufgefallen, dass der Kragen ihrer Jacke hochstand und sich auf ihrem Schal ein Fleck befand.
    Dir muss klar sein, wer du sein möchtest , hatte er gesagt. Wie du dich präsentieren willst. Deine persönliche Handschrift finden. Nur heiße Ideen verkaufen sich.
    Wahrscheinlich würde er enttäuscht den Kopf schütteln, wenn er sie auf dieser irischen Klippe sitzen und Büstenhalterträger und Slips verzieren sähe. Ich bin immer ehrlich, Kate , und das muss ich jetzt auch dir gegenüber sein. … Nein, von ihm würde sie sich den Spaß nicht verderben lassen, nicht heute. Zum Teufel mit heißen Projekten und Exfreunden, das
hier war die Realität: die Tinte und die Schwielen an ihren Fingern, der Stift in ihrer Hand, der Rhythmus der Striche, Punkte und Linien.
    Die Wellen schlugen seufzend gegen die Felsen, der Wind bog die Seiten des Blocks auf, ihre Lippen schmeckten nach Salz. Klarer blauer Himmel, ein kurzes Geschenk nach dem Nebel, den Wolken und all dem Regen. Minuten, Stunden vergingen, in denen sie den Block füllte. Sie vergaß die Zeit und erwachte erst aus ihrer Trance, als die Sonne allmählich unterzugehen begann. Kate musste zum Cottage zurückkehren, weil Bernie sich sonst Sorgen machte und eine Suchmannschaft losschickte.
    Sie fing an einzupacken. Da fiel ihr der Reinigungsbeleg für Ethans Arbeitshemden aus der Zeit vor dem Model in die Hände, den sie zusammenknüllte und die Klippe hinunterwarf (Von jetzt an kannst du deine Hemden selbst zur Reinigung bringen!). In der Tasche befanden sich noch allerlei andere Dinge: alte Hustenbonbons und Taschentücher, ein undichter Filzstift, pflaumenfarbener Lipgloss, Make-up, ein chinesischer Glückskeks ( Du wirst eine weite Reise machen – wie wahr, wie wahr!) von dem Essen mit Freunden am Abend vor dem Abflug. Ich komme schon zurecht, wirklich , hatte sie in einem Tonfall gesagt, der Mitleid und weitere Diskussionen unterband.
    Das hier ist weit genug , versuchte sie sich einzureden. Doch die Traurigkeit war als blinder Passagier durch die Sicherheitskontrollen am Flughafen geschlüpft. Sie musste den Reißverschluss ihrer Tasche geschlossen halten, damit sie nicht herauskonnte.
    Da wurde ihr bewusst, dass sie den Weg zurück nach
Glenmara nicht kannte. Ihr Orientierungssinn war noch nie besonders gut gewesen. Denk nach , ermahnte sie sich. Als sie den Pfad zurückgehen wollte, den sie gekommen war, endete sie auf einem schmalen Steig, der ziemlich steil ins Tal hinabführte. Nein, der stimmte nicht. Doch es war keine Zeit mehr, von den Klippen einen neuen Versuch zu starten. Nun, dann würde sie sich eben auf ein kleines Abenteuer einlassen und diesen neuen Weg probieren, der vielleicht irgendwo auf den ihr bekannten stieß.
    Der Pfad wurde noch steiler, was ihr aber, wie sie meinte, etwa einen Kilometer Weg sparen würde. Sie setzte vorsichtig einen Fuß vor den anderen und hielt sich mit den Händen fest. Vorsicht! , dachte sie. Sie wollte sich ja nicht den Knöchel verstauchen. Ihr Handy lag in Seattle, in einem Karton, als Teil ihres alten Lebens. Jetzt hätte sie es gebrauchen können.
    Sie atmete tief durch. Nicht an den Abgrund denken. Anfangs gelang ihr das noch ganz

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