Rueckkehr nach Glenmara
dann nahm sie nur noch ihn wahr, seinen Atem auf ihrer Wange, seine Hand auf ihrer Brust, seine braunen Augen. Ihn.
BILD FÜNFZEHN
So nah
K ate küsste Sullivan ein letztes Mal. Seine Lippen waren perfekt, weder zu voll noch zu schmal, und weicher als erwartet. Regen nieselte auf die Schwarzdornbüsche. In Sullivans Armen störte Kate weder die Nässe noch die Kälte. Bald schon würden nur noch die Pfützen, in denen sich Schatten und Sterne und Kate und Sullivan spiegelten, an den Regen erinnern.
»Ich werde ein paar Tage unterwegs sein, meine Sachen an der Küste verkaufen«, sagte er, »aber am Freitag gibt’s ein craic .« Er hielt sie neben seinem Wagen, den er vor Bernies Tor abgestellt hatte, im Arm. Das Fahrrad stand an die Mauer gelehnt. »Du kommst doch, oder?«
»Nun …«
»Es gibt Tanz.« Er begann sie sanft hin und her zu wiegen. »Eine Frau wie du tanzt sicher gern.«
»Eine Frau wie ich?«
»Mit so schönen, muskulösen Beinen, meine ich.«
»Werd ja nicht frech.«
»Hab ich nicht mehr nötig, oder?«
Ja, das stimmte. Obwohl sie ihn noch nicht lange kannte, fühlte sie sich in seiner Gesellschaft wohl.
Am Himmel leuchtete die Sichel des Mondes, vor der Wolkenfetzen dahinzogen, und in der Luft lag der Duft von Schlüsselblumen und Maiglöckchen.
»Komm mit zu mir«, schlug er vor.
»Das geht nicht«, sagte sie, obwohl sie Lust gehabt hätte. »Nicht heute.« Sie ging einen Schritt aufs Cottage zu, weil Bernie auf sie wartete und sie ahnte, dass sie sich nicht zu schnell auf zu viel einlassen durfte. Es war genug Zeit zum Kennenlernen, denn sie hatte nicht vor, Glenmara so bald wieder zu verlassen. Ihr gefiel es dort. Sie konnte eine Weile bleiben, mehr übers Spitzenklöppeln und Sullivan erfahren.
»Bitte.« Er hielt ihre Hand fest.
»Ich muss los.« Das Licht in Bernies Wohnzimmer war an, was bedeutete, dass sie noch nicht schlief.
Sullivan drückte Kates Hand, bevor er sie schließlich losließ. »Bis zum Freitag also. Nicht vergessen.«
Als Kate eintrat, begrüßte Fergus sie mit einem kurzen Bellen, und Bernie, die vor dem Kamin saß, die Lesebrille auf der Nase, hob den Blick.
»Tut mir leid, es ist spät geworden«, entschuldigte sich Kate. »Ich hätte anrufen sollen. Ich wollte nicht, dass Sie so lange auf mich warten …«
»Kein Problem«, sagte Bernie. »Es freut mich, dass Sie Spaß hatten. Mit Sullivan, ja?«
»Ich weiß nicht, wo die Zeit geblieben ist …« Kate zog die Jacke aus und hängte sie an den Türhaken.
»Sie vergeht sehr schnell, wenn man mit dem richtigen Menschen zusammen ist.« Bernie deutete auf die Kanne
neben sich. »Ich wollte mir gerade ein Tässchen warme Mandelmilch einschenken. Die hilft mir beim Einschlafen. Möchten Sie auch welche?«
Kate nahm die Tasse, die Bernie ihr reichte, und strich eine Haarsträhne hinters Ohr. Dabei bemerkte sie den Tonfleck auf ihrer Wange. Sie wischte ihn verlegen weg. »Er hat mich gefragt, ob ich am Freitag zum craic komme.«
»Das sollten Sie tun. Wir gehen alle hin, wegen der Musik und dem Tanz. Sullivan spielt in der Band. Sein Großvater hat ihm das Fiedeln beigebracht. Er ist ein guter Musiker«, sagte Bernie. »Und ein guter Mensch. So leicht findet man Leute wie ihn heutzutage nicht mehr.«
»Stimmt«, pflichtete Kate ihr bei.
»John war auch aus solchem Holz geschnitzt«, erzählte Bernie mit sanfter Stimme. »Ich weiß noch gut, wie ich ihn das erste Mal gesehen habe, auf der anderen Seite eines Felds, nicht weit von hier, wo die Schlüsselblumen blühten. Er war als Lehrer nach Kinnabegs gekommen und machte an dem Abend einen Spaziergang. Er ging gern spazieren.
Ich war damals mit einem jungen Mann zusammen, den ich bei einer Tanzveranstaltung in der Nähe von Tarryton kennengelernt hatte«, fuhr sie fort. »Ich dachte, die Sache mit ihm sei ernst, aber als John in mein Leben trat, habe ich keinen Gedanken mehr an ihn verschwendet. Liebe auf den ersten Blick würde ich es trotzdem nicht nennen. Es war eher so etwas wie ein sofortiges gegenseitiges Verstehen, als hätten wir einander gesucht, ohne uns dessen bewusst zu sein.«
»Sullivan habe ich kennengelernt, als ich mich an einen Felsen klammerte.« Kate lachte.
»Bei dem Spaziergang neulich?«
»Ja. Es hat mir den Atem verschlagen – ob wegen seines Anblicks oder meiner Angst vor dem Runterfallen, weiß ich nicht so genau.«
»Das haben Sie gar nicht erzählt …«
Kate zuckte mit den Achseln. »Als ich zurückkam, war das
Weitere Kostenlose Bücher