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Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
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mehr stand als ein paar flechtenbewachsene Steine, in deren Schutz sie sich niederließen.

    Wieder dieser Traum von Ekaterina, die ihm vom U-Bahn-Eingang aus zuwinkte, bevor sie im Untergrund verschwand. Sullivan hatte ihr gesagt, dass sie nicht arbeiten müsse, weil er genug für sie beide verdiene, und sie in Ruhe malen könne, doch sie hatte nichts davon wissen wollen. Seit sie mit fünfzehn das Elternhaus verlassen hatte, verdiente sie sich ihren Lebensunterhalt selbst. Sie war nie mehr in der tschechischen Heimat gewesen; warum, verriet sie ihm nicht. Das ist nicht wichtig, gehört der Vergangenheit an.
    Sie trug ein fahlblaues Chiffontop, Jeans und flache Schuhe, war schmal und hatte helle Haut, wirkte irgendwie entrückt. – So hatte er sie zwei Jahre zuvor, als sie sich kennenlernten, wahrgenommen. Normalerweise fuhren sie mit demselben Zug, doch an jenem Tag hatte er das Handy vergessen – sie schüttelte lachend den Kopf: Er vergaß immer etwas. Er hastete nach Hause zurück, um es zu holen. Das dauerte kaum fünf Minuten, bedeutete aber, dass er den nächsten Zug nehmen musste. So wenige Minuten, die alles veränderten. Plötzlich versanken die Straßen im Chaos, Sirenen heulten, blutende, schmutzverschmierte Menschen wanderten ziellos umher.
    Anfangs begriff er noch nicht, hörte nur die Schreie, das Flüstern – Terroristen, Bomben – und versuchte, sich durchzudrängen, doch die Polizei hatte bereits den Eingang gesperrt, aus dem schwarzer Rauch aufstieg wie aus der Hölle.
    Sie ist da drin! Ich muss sie finden!
    Sie bewegten sich nicht von der Stelle; sie hatten ihre Befehle.
    Seine Gefühle koppelten sich ab wie Waggons von einem Zug. Vor seinem geistigen Auge liefen noch einmal die Ereignisse
des Tages ab, die zu diesem Punkt, diesem Ort, geführt hatten. Das Frühstück in der Nische mit Blick auf den Garten. Das Knirschen des Toasts, das Rascheln der Zeitung. Beide schweigsam, weil Morgenmuffel. Sie berührte seinen Fuß mit dem ihren, der sich warm anfühlte, obwohl sie keine Socken trug. Der Blick auf die Uhr, dann hastig durch den Flur und zur Tür hinaus, miteinander, lachend. Und das vergessene Handy.
    Eine Bombe in einem Waggon, dem ihren. Mit so etwas rechnete niemand – nicht nach den Anschlägen ein paar Jahre zuvor. Und doch passierte es.
    Er hätte bei ihr sein sollen. Wäre es gewesen, wenn er an das Handy gedacht hätte. Etwas flatterte an ihm vorbei. Er hielt es für einen Fetzen ihrer Bluse, aber es war nur Asche im Wind.
    Tagelang hörte er das Rattern von Zügen. Der Arzt verschrieb ihm Tabletten dagegen, doch die Züge suchten ihn in seinen Träumen heim, sogar hier in Irland. Es hieß, wenn man das Ohr auf den Boden drücke, könne man donnernde Hufe hören, von den Pferden einstiger Invasoren, und marschierende Soldaten, weil die Erde die Erinnerung an sie, an das vergossene Blut, bewahre. Und er hörte sie tatsächlich, die Züge, die Dänen, die Wikinger, die Männer Cromwells, der IRA,der al-Qaida, und auch Ekaterinas Stimme, lauter als alles andere, die nach ihm rief: Sullivan, Sullivan.
    Er schlug die Augen auf, erblickte den nachtschwarzen Himmel.
    Wieder diese Erkenntnis, dass sie für immer verloren war. Neben ihm die Fremde, deren Name in dem von E kate rina steckte.

    Kate.
    Was ist? , fragte Kate besorgt. Erst jetzt merkte er, dass er mit dem Gesicht nach unten lag und Grasbüschel ausriss. Als sie seine Schulter berührte, wich er zurück. Sie strich über seine Wange; der Ärmel war blutrot. Er hatte sich an einem Stein verletzt. Sullivan?
    Er schüttelte den Kopf. Der Traum war Teil eines anderen Lebens, das er hinter sich zu lassen versucht hatte. Nur ein schlechter Traum , antwortete er.

BILD EINUNDZWANZIG
    Von Klöppeln und Nadeln
    A mnächsten Morgen half Kate Bernie, die Wäsche aufzuhängen. Das Wetter war wechselhaft, der Himmel von Wolken gesäumt. Sie schienen auf dem einzigen Fleckchen im County zu stehen, an dem die Sonne kurz durchbrach. Kates Kopf fühlte sich schwer an, weniger des Schlafmangels als ihrer Verwirrung darüber wegen, dass Sullivan während der Heimfahrt so abweisend, ja kühl gewesen war. Diese Seite von ihm kannte sie noch nicht, und sie wusste nicht, wie sie damit umgehen sollte. »Glauben Sie, es wird regnen?«
    »Schwer zu sagen.« Bernie blickte zum Himmel empor. »Die Wolken scheinen sich nicht entscheiden zu können.«
    Kate ließ den Finger über den blassen Fleck an ihrem Ärmel gleiten, der sie an die Nacht am Turm

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