Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rueckkehr nach Glenmara

Titel: Rueckkehr nach Glenmara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Barbieri Sonja Hauser
Vom Netzwerk:
schließlich wagte, ihr Spiegelbild zu betrachten, spürte sie die Veränderung – keine völlige Transformation, nein, aber immerhin eine neue Perspektive oder Illusion, die sie bei gedämpftem Licht aufrechterhalten konnte, weil die blauen Flecken an Oberarmen und Beinen nicht auffielen. Der Körper und das Gesicht, die sie seit jeher zu schmal und hager fand, wirkten weicher. Sie ließ die Finger über die Spitze gleiten, spielte mit der Vorstellung, eine starke, attraktive Frau zu sein, die sich nicht mit Halbheiten zufriedengab und die Cillian ohne Gewalt lieben könnte.

    Draußen hörte sie die spielenden Kinder rufen, die sie in die Realität zurückholten. Hastig schlüpfte sie aus der Wäsche, zog sich wieder an und steckte sie ernüchtert zurück in die Handtasche. Sie wusste nicht, wann sie sie tragen sollte, falls überhaupt. Das waren Kunstwerke, nicht für ihren Körper, dieses Haus, dieses Leben bestimmt. Sie warf einen letzten Blick in die Tasche, in der dieses süße Geheimnis verführerisch schimmerte, bevor sie sie schloss. Vielleicht würde sie die Wäsche zu ihrem Hochzeitstag tragen. Vielleicht gefiel Cillian das.
    Sie ging in die Küche, um das Essen zuzubereiten. Die Kinder rannten über die ungemähte Wiese hinter dem Haus. Sie würde sich eine Sense leihen müssen, bevor sie den Rasenmäher verwenden konnte.
    Moira lauschte auf die Stimmen der Kinder: Rory, Riordan, Ronan, Sinead und Sorcha. Ihre und Cillians Kinder. Sorcha war der Grund für ihre Heirat gewesen. In jenem Sommer hatte Moira die Collegeferien – sie wollte Lehrerin werden – zu Hause verbracht.
    Damals hatte Cillian noch ein Boot, eine Zukunft besessen. Heute beklagte er sich oft über eine alte Verletzung aus Rugbytagen – eine seiner gescheiterten Karrieren. Die Schmerzen schienen mit dem Alter schlimmer zu werden. Er versuchte anzuheuern, aber viele Crews wagten sich nicht mehr hinaus. Anfang des Monats hatte er sich Hoffnungen auf einen Job im Norden gemacht, doch dann waren die Lachse so rar geworden, dass sich das Angeln nicht lohnte. Nicht dass er die Arbeit mit seinem Jähzorn, seiner Liebe zum Alkohol und seiner Unzuverlässigkeit erhalten hätte … Seine schlechten Eigenschaften waren hinreichend bekannt.

    Moira versuchte, mit wenig Geld auszukommen, und putzte für andere. Die Kinder nahm sie, wenn sie nicht in der Schule waren, mit. Manche beschäftigten sie, weil sie tatsächlich Hilfe brauchten, die meisten jedoch, weil sie ihnen leidtat mit dem Mann, der nicht fähig war, die Familie zu ernähren. Früher hatte seine Mutter alles für ihn erledigt, jedenfalls in materieller Hinsicht. Er war der einzige Sohn gewesen, der Rugby-Star der Familie, von allen bewundert und verhätschelt, mit siebzehn, als sein Vater starb. Seine Mutter hatte sich in Dublin ein neues Leben mit einem Bauunternehmer aufgebaut. Jetzt wohnte sie an der Algarve und kaufte ihren Enkeln Spielzeug, das nach wenigen Tagen kaputtging, die Scooter und Räder draußen, ein richtiger kleiner Schrottplatz mit Dingen, die man reparieren oder wegbringen hätte müssen, und die den Zustand des Hauses mit den tropfenden Wasserhähnen und dem scheppernden Kühlschrank spiegelten. Alles schien auseinanderzufallen.
    Moira stellte den Eintopf auf den Herd. Sorcha hatte das Geschirr gespült, aber die Wäsche vergessen. Moira spielte mit dem Gedanken, sie hereinzurufen, ließ es dann jedoch sein. Sie arbeitete und sah mit ihren zwölf Jahren schon zu viel, ging kaum jemals mit den jüngeren Geschwistern zum Spielen hinaus, war selbst fast kein Kind mehr.
    Moria glättete vor sich hin summend Ärmel und Kragen und legte Blusen und Hosen zusammen.
    »Was ist das?«, hörte sie da Cillian fragen. Wo kam er so plötzlich her?
    Sie spürte seine Präsenz im Raum – er war fast eins neunzig groß und immer noch kräftig, wenn auch ein wenig schwabbeliger um die Leibesmitte. Cillian besaß die Fähigkeit,
sich fast lautlos zu bewegen. Sie erstarrte, sah sich unwillkürlich nach einer Fluchtmöglichkeit um und fand keine. Vor ihr erhoben sich graue Wände und Schränke mit zu oft zugeschlagenen, in den Angeln hängenden Türen, und die Lampe über ihr warf einen langen flackernden Schatten, so dass Cillian bedrohlich wie ein Rächer aus einem von Rorys Comics wirkte.
    »Ach, nur die Spitze«, antwortete sie.
    Er ließ die Wäsche vor ihrer Nase baumeln, die Träger lose wie eine Schlinge und lang genug, um sie um ihren Hals zu legen und zuzuziehen. »Für

Weitere Kostenlose Bücher