Rückkehr nach Kenlyn
Sie?«
»Weil es mich interessiert hat«, antwortete Telios. Weil ich wissen will, auf welcher Seite du stehst. Weil ich wissen muss, dass du mir nicht in den Rücken fällst, während ich alles riskiere. Und weil ich jemanden brauche, mit dem ich reden kann.
»Ich verstehe«, sagte Quai-Lor, schien sich diesbezüglich allerdings nicht allzu sicher zu sein.
Telios sah seinen Ersten Offizier lange an und dieser erwiderte den Blick zwar respektvoll, doch mit sichtbar wachsendem Unwohlsein.
Leider bist du nicht dieser Jemand , dachte der Admiral und die Erkenntnis schmerzte mehr als sie sollte. Und ich glaube dir kein Wort.
»Die Brücke gehört Ihnen, Kommandant«, sagte Telios und ließ den Draxyll ratlos zurück.
Erst jetzt war ihm klar geworden, dass er seine Entscheidung längst getroffen hatte, gleichgültig, welchen Preis er dafür zahlen musste.
Ob Admiral Kaleen sich freuen würde, wieder von ihrem einstigen Leutnant zu hören?
24. »Ich bin hier«
»Am Ende jeder Nacht wartet die Sonne namens Hoffnung.
Also genieß den Tag, bis die Sterne wieder aufgehen.«
– Haran, der Dichter-Soldat
»Endriel? Bist du wach?«
Sie antwortete mit einem unmerklichen Nicken. Ja, sie war wach. Schon seit Stunden. Der lang erwartete Schlaf hatte ihr nichts gebracht außer bösen Träumen, bevor er sie viel zu früh wieder in die Realität geschleudert hatte. Sie hatte dagelegen und zugesehen, wie außerhalb des Schiffs die Sonne begann, ihr trübes Licht durch die dunstige Atmosphäre zu schütten. Offenbar war der Wilde Ozean überquert, denn dann und wann flogen zerstörte Türme und die Kadaver von Städten am Bullauge vorbei.
Endriel spürte einen Windhauch in ihrem Gesicht; etwas war neben ihrem Kopfkissen gelandet.
»Endriel?«
Seit der gestrigen Konfrontation auf der Brücke hatte Endriel ihr Quartier nicht verlassen, aus Angst, den anderen zu begegnen und die Enttäuschung oder auch die Anklage in ihren Mienen sehen zu müssen.
»Endriel?«, fragte Nelen abermals.
Erst jetzt wandte sich Endriel ihrer Freundin zu. Nelen stand neben ihr, mit kraftlos herabhängenden Flügeln. »Entschuldige, Nelen«, murmelte sie. »Ich war in Gedanken ...«
»Hab ich gemerkt«, sagte Nelen ohne Tadel. »Ich wollte auch nur melden, dass es zur Abwechslung mal gute Nachrichten gibt: Wir sind bald da. In Shannashai. Keru meint, er braucht dich auf der Brücke, zusammen mit der Armschiene, damit wir nicht schnurstracks dran vorbeifliegen – denn das wäre ziemlich dämlich, wenn man bedenkt, wie weit wir gekommen sind, oder?«
Endriel antwortete nicht. Wir sind bald da – die Aufregung, die diese vier Worte verursachten, zerrte an ihren Eingeweiden und ließ sie sich fast übergeben.
Nelen blickte aus dem Bullauge. »Oh Mann, diese Welt macht es einem wirklich leicht, sie zu hassen. Nur Grau und Staub und noch mehr Grau. Vorhin haben wir ein ganz kleines bisschen Grün gesehen – aber es war keine Oase oder so was, wie wir gedacht haben. Nur Flechten auf Stein. Na ja, ist zumindest ein Anfang. Aber weißt du, was sie hier wirklich brauchen?« Sie bemühte sich um ein Lächeln. »Einen Landschaftsarchitekten.« Nelen seufzte, als Endriels Lachen ausblieb. »Keru wird sich schon wieder beruhigen, glaub mir. Aber was ist mit dir und Xeah? Habt ihr euch gestritten?«
Endriel starrte weiter an die Decke. »Hat sie nichts gesagt?«
»Nur, dass du sie über Liyen aufgeklärt hast. Zuerst dachte ich, das erklärt ihre Stimmung, aber anscheinend steckt noch mehr dahinter. Nur willst du mir wahrscheinlich nicht verraten, was, oder?«
Endriel schüttelte unmerklich den Kopf.
»Hab ich mir gedacht.«
»Ich kann nicht, Nelen. Nicht jetzt. Es tut mir leid.« Früher hatten sie über alles reden können.
»Soll ich dir was verraten? Von ›tut mir leid‹ wird es nicht besser. Ich weiß, du redest dir ein, du hättest uns in den sicheren Tod geschickt. Aber als ich das letzte Mal nachgesehen habe, waren wir alle noch ziemlich lebendig. Und so wie ich das Ganze sehe, ist das im Augenblick die Hauptsache.«
Sie wartete nicht auf Endriels Antwort; stattdessen hopste sie auf deren Bauch und stemmte die Hände in die Hüften. »Bei allen Geistern, du hattest eine ganze Nacht zum Trübsal blasen, das muss reichen! Jetzt steh endlich auf, und sieh zu, dass du was isst! Du siehst aus wie der wandelnde Tod – willst du Kai etwa so unter die Augen treten?«
Endriel schloss die Augen. Kai.
Sie hatte von ihm geträumt; hatte sich
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