Rückkehr nach Kenlyn

dringend auf ein anderes Schiff versetzen lassen!«
    Keru ignorierte sie. »Ich brauche einen Kurs«, brummte er in Endriels Richtung.
    » Kandierte Früchte «, dachte Endriel, und Yu Nans Geist kam zu ihr geschwebt, durch den nichts ahnenden Keru hindurch. »Haben Sie eine Ahnung, wo wir sind?« Sie blickte hinaus in die graue Wüste, um ihre Sinneseindrücke an das Eidolon weiter zu leiten.
    » Es ist erschreckend, wie viel zerstört wurde «, sagte der Sha Yang niedergeschlagen. » Aber ich glaube, ich erkenne gewisse Punkte in der Landschaft wieder. Die Stadt, die wir eben überflogen haben ... ja. Haltet euch nach Nordnordwest. Vor euch liegt das An’Barra-Gebirge – nicht weit dahinter folgt die Küste. Und Shannashai. «
    Endriel gab die Angaben an den sichtlich skeptischen Keru weiter. Wieder wurde ihr bewusst, dass außer ihr niemand an Bord je mit dem Eidolon gesprochen hatte.
    Stunden vergingen und das Gebirge vor ihnen wurde bald zu einer zerklüfteten, grauen Mauer. Keru hatte wieder das Steuer übernommen und brachte das Schiff auf die nötigen zweitausend Meter, um die Gipfel zu überqueren. Das Grau von Fels und das Weiß von Gletschern wiederholten sich in unregelmäßigen Abständen; die einzige Abwechslung bildeten die Überreste dessen, was einmal eine schwebende Stadt gewesen sein musste: Kleiner als Teriam, lag sie in einer Schlucht wie ein weggeworfenes Spielzeug.
    Endriel stand die ganze Zeit vorn an der Brückenkanzel, ihre linke Hand auf der Armschiene, um im Notfall sofort Yu Nan zu sich zu rufen. Ihre Finger hatten sich verkrampft, es fiel ihr schwer, gleichmäßig zu atmen. Der Gedanke an Kai und ihren Traum von letzter Nacht verdrängten alle anderen Sorgen.
    Natürlich gab es einen Sturm.
    Die Korona hatte die Berge gerade hinter sich gelassen, als dichter Nebel den Horizont zu verschleiern schien. Wind schleuderte Wellen von Staub gegen das Schiff und ließ die Scheiben klirren. Der ganze Planet ging in einer grauen Wolke unter und sie konnten nichts sehen außer den Blitzen, die dann und wann darin zuckten. Donner übertönte krachend die auf Höchstgeschwindigkeit feuernden Schubdüsen.
    Endriel hielt sich an der Steuerkonsole fest, während Keru darum kämpfte, das Schiff auf Kurs zu halten. »Ich versuche, dran vorbeizufliegen«, erklärte er.
    »Dran vorbei? Wir sind mitten drin!«
    »Wenn du umkehren willst, brauchst du es nur zu sagen!«
    Aber sie sagte nichts, und Keru flog einfach weiter drauf los; offensichtlich völlig blind. Egal, in welche Richtung er das Steuer riss, es gab kein Entkommen aus dem Dunst, und die Gewalten des Sturms zerrten weiter an der Korona . Ein Blitz leuchtete direkt neben dem Schiff auf, so grell, dass Miko aufschrie und sich Nachbilder wie Säure in Endriels Netzhaut ätzten. Sie blinzelte in einem fort, um die Blendung abzuschütteln, während sich Nelens Finger in ihre Schulter bohrten. Es war Xeah, die ihren Gedanken aussprach:
    »Vielleicht sollten wir besser umkehren«, sagte die Draxyll vorsichtig. »Bevor wir uns verfliegen.«
    Keru antwortete lange Zeit nichts. Dann, zur Überraschung aller, knurrte er: »Ja.«
    Auf einmal formte sich eine Schar dunkler Riesen in der Nebelwelt: Wie die Projektionen in einem Geisterkubus schienen sie sich im undurchdringlichen Grau zu materialisieren, unwirklich und nur halb solide. Ein Blitz enthüllte weitere hochragende Silhouetten ringsum. Es waren Türme oder die Überreste davon; die Ruinen einer Kristallstadt, wie sie auf dem Weg hierher Dutzende gesehen hatten. Aber diese hier war anders; diese hier war ...
    »Shannashai«, flüsterte Endriel – ein Donnerschlag ließ den Himmel erbeben. Sie versuchte, Genaueres in den Staubmassen draußen zu erkennen. Keru hatte bereits die ersten Türme überflogen. Voraus erschienen weitere Giganten; der geborstene Kristall ihrer Fassaden reflektierte das Licht der Blitze wie schmutzige Spiegelsplitter.
    »Dort!« Endriel zeigte auf das monströse Gebilde, das weit vor ihnen die anderen Bauwerke überragte. Auf seiner Spitze schien etwas zu glühen, schwach und verzweifelt durch den Nebelschleier hindurch. Zuerst glaubte sie, es wären wieder nur die Reflektionen von Blitzen, aber sie irrte sich.
    »Keru!«
    »Ich sehe es«, brumme er und hielt das Schiff darauf zu.
    Lichtkugeln!
    Endriel hatte das Gefühl, eine Faust aus Eisen schlüge ihr von innen gegen die Brust. In der nächsten Sekunde schob sich die Korona über den Turm; sein Dach breitete sich wie eine