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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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dunstige Straße unter ihnen aus. Sie konnte drei Worte deutlich erkennen:
    ICH BIN HIER.
    Endriel schrie auf. Atemlos bettelte sie: »Runter! Geh runter, Keru!«
    Natürlich war er längst dabei. Etwas knirschte, als die Landekufen der Korona auf dem Boden aufsetzten.
    Endriel hatte jede Kontrolle über ihren Körper verloren; noch bevor sie den bewussten Befehl geben konnte, hatten ihre Beine sie aus der Brücke getragen, die Wendeltreppe hinab bis zum Mitteldeck. Mit der rechten Hand drehte sie das Radschloss der Außentür auf, während ihre Linke auf den Knopf hämmerte, der die Gangway ausfuhr.
    Wind und Staub, kalt wie ein Frosthauch, schlugen ihr entgegen, doch war sie längst die Gangway hinabgelaufen, wobei der Sturm versuchte, sie zu Fall zu bringen und zu blenden. Ihr Haar peitschte ihr ins Gesicht und die stauberfüllte Luft brachte sie zum Husten.
    »Kai!«, schrie sie. Ihre Haut schien trotz der Kälte zu brennen. »Kai, wir sind hier!«
    Nur das Heulen des Sturms antwortete ihr.
    Endriel rannte an den Lichtkugeln vorbei: Vor ihr erhob sich etwas aus dem Staubschleier, das an ein winziges Häuschen erinnerte – der Zugang zum Treppenhaus!
    Sie umfasste die eiskalte Klinke, zerrte an der Tür, doch sie öffnete sich nicht.
    »Geh auf, du verfluchtes Scheißteil, geh auf!«
    Da packte sie eine schwere Hand an der Schulter. Endriel erschrak und wirbelte herum: Keru stand vor ihr, ein Tuch um die untere Gesichtshälfte gebunden. Hinter ihm näherten sich die anderen vom Schiff: Xeah, in Mikos Jacke eingepackt und von dem Jungen gestützt. Nelens Kopf und Flügel sahen hinter seiner Schulter hervor.
    Keru sagte etwas, das in Wind und Donnergrollen unterging.
    »Was?«, rief Endriel und spuckte Staub. Sie hatte ihren Hemdkragen über Mund und Nase gezogen; es half nur wenig.
    » Drücken, nicht ziehen! «, brüllte er, langte an ihr vorbei und gab der Tür einen Schubs. Sie öffnete sich mit rostigem Quietschen. Stufen führten hinab ins Zwielicht.
    Endriel blinzelte einen Moment – und schon trugen ihre Beine sie weiter, so schnell die Treppe hinab, dass sie fast gestolpert wäre.
    »Kai!«, rief sie. Und ein Echo antwortete ihr: Kai ... Kai ... Kai ...
    Zwanzig, dreißig Stufen tiefer gab es wieder ebenen Boden. Schritte näherten sich ihr von irgendwo dort unten. Endriel glaubte, ihr Herz würde jeden Moment zerspringen.
    »Kai!«
    Die anderen folgten ihr, so schnell es ging. Sie hatten fast das Ende der Treppe erreicht. Die Schritte kamen näher ... und näher ...
    »Kai, wir sind –!«
    Endriel erstarrte, als ein fremdes Paar Augen sie ansah; Keru wäre fast in sie hineingerannt, hätte er sich nicht im letzten Moment festgehalten.
    Ein dürres, fast nacktes Wesen stand vor ihnen. Für einen winzigen Moment glaubte Endriel, die Armschiene habe ihr einen Streich gespielt und das Eidolon ohne ihren Befehl hervorgezaubert, um sie zu täuschen. Dann erkannte sie den bronzenen Blick des im Halbschatten liegenden Gesichts, und silberne Schleifenmuster, welche hohe Wangenknochen bedeckten.
    Nun kamen auch Miko, Nelen und, mit einigem Abstand, Xeah hinterher; der Anblick des Sha Yang ließ das Horn der alten Draxyll erschrocken tuten.
    » Ihr kommt spät. « Die Stimme war heller als die Yu Nans, dennoch genauso melodiös und unwirklich. Sie sprach mit einem seltsamen Dialekt.
    »W-Wer sind Sie?«, brachte Endriel hervor. Und dann, heftiger: »Wo ist Kai? Was haben Sie mit ihm gemacht ?«
    » Endriel! «, hallte eine bekannte Stimme durch das Treppenhaus.
    Die Welt hörte auf, sich zu drehen; der Sha Yang, die Schatten und Halbschatten, all das verschwamm vor Endriels Augen. Schnelle Schritte näherten sich aus der gleichen Richtung, aus der der Sha Yang gekommen war.
    » Endriel! «
    Ein junger Mensch rannte zu ihnen; sein blondes Haar war mehr schlecht als recht gestutzt, ein außer Kontrolle geratener Bart wucherte in seinem Gesicht. Er sah mager aus und zerlumpt in seiner Kleidung, die vor Dreck ganz steif war.
    Aber seine Augen waren noch dieselben; seine wunderbaren, grünen Augen, die sie immer wieder an geschliffene Smaragde erinnerten und eine Flotte von Drachenschiffen in ihrem Bauch herumschwirren ließ.
    Ihre Beine zitterten; sie wollte seinen Namen sagen, doch sie konnte kein einziges Wort hervorbringen. Unsicher wie ein Rehkitz setzte sie einen Schritt nach dem anderen – dann lief sie ihm entgegen, lief ihm in die Arme, sah ihn gleichzeitig lachen und weinen und lachte und weinte selbst, als

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