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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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aufbewahrt – und während er so dagesessen hatte, auf dem Diwan zusammengesunken, mit dem Glas an seinen Lippen, hatte Telios müde gegrinst. War etwas wie Xanata etwa kein besonderer Anlass? Und außerdem hatte er die Flaschen nicht gekauft, weil sie hübsch aussahen.
    Nun ließ sich der Admiral erneut auf den Diwan fallen, während ein Gedanke wie ein Blizzard in seinem Schädel dröhnte:
    Syl Ra Van darf nicht länger herrschen.
    Wenn er seinen Kurs fortsetzte, würde das Volk den Kult mit offenen Armen empfangen; die Leute würden jeden bejubeln, der gekommen war, sie von der Vormundschaft des Gouverneurs und seiner Weißmäntel zu befreien.
    Sah er denn nicht, was er tat? Die Unlogik seines Handels musste ihm, gerade ihm, klar sein! Aber möglicherweise war seine Arroganz größer als seine Intelligenz. Wenn ja, musste sie maßlos sein. Wie viele seiner Untertanen würde er noch opfern, nur um seine eigene Haut zu retten?
    Ist dies nicht die Gelegenheit auf die du so lange gewartet hast?, fragte eine zynische Stimme aus einer dunklen Region seines Bewusstseins. Der Beweis, der dir gefehlt hat, um es allen anderen klar zu machen?
    Die Beteiligung des Gouverners an der ersten Wiedergeburt des Kults konnte er nicht beweisen; würde er wahrscheinlich niemals beweisen können. Aber nun konnte jeder, der Augen besaß, deutlich sehen, dass Syl Ra Van nicht länger den Hohen Völkern diente. Damit hatte er sein Recht, Kenlyn zu regieren, verspielt und die Konsequenz dessen war klar:
    Syl Ra Van musste sein Amt niederlegen.
    Von einem plötzlichen Impuls getrieben, stand Telios auf und wanderte ruhelos im Raum auf und ab, nur beobachtet von den drei tönernen Löwenmasken an den Wänden – Geschenke der Skria-Nomaden vom Klan der Keem-Rula, denen er einst gegen eine Horde von Banditen beigestanden hatte. Ihre leeren Augenhöhlen erinnerten ihn an den Blick der Maschine, für die er noch vor einem halben Jahr ohne Zögern sein Leben gegeben hätte.
    » Sie vergessen, dass Wir alle möglichen Zukünfte sehen. Der Weg, den wir gewählt haben, ist der einzige, der den Großen Frieden bewahrt. «
    Und wenn es stimmte? Wenn Syl Ra Vans Weg der einzige war, der einen dritten Schattenkrieg verhinderte? Vielleicht konnte wirklich nur er allein die Situation klar überblicken, mit einer maschinellen Logik, die ungetrübt war von Mitleid oder Furcht.
    Telios war nur ein Mensch, sterblich und zwangsweise an eine menschliche Sichtweise gebunden. Syl Ra Van dagegen war ... was? Ein Gott? Vielleicht. Zumindest hielt seine Regentschaft seit neunhundertachtundzwanzig Jahren an; seit dem Beginn der Geschichtsschreibung auf Kenlyn war er da gewesen, um die Hohen Völker zu führen. Und es gab noch viele, die ihm blind vertrauten. Immerhin war er der Gründer des Großen Friedens! Das letzte Geschenk der Sha Yang!
    Wer konnte sagen, was geschah, wenn dem Volk dieser Gott genommen wurde?
    Panik? Ein Zusammenbruch der Ordnung? Das Ende der Zivilisation? Telios wusste es nicht. Aber er ahnte, dass die Alternative sehr viel schlimmer sein würde: das Volk in den Armen des Kults, der Untergang seines Ordens – eine Herrschaft der Schatten.
    Was soll ich tun? Verflucht noch mal, Yanek – was soll ich nur tun?
    Er wusste, wie die Antwort lautete; was er nicht wusste, war, ob er den Mut besaß, seine Karriere und seine Freiheit zu riskieren, und vielleicht sogar sein Leben, um zu tun, was getan werden musste.
    Telios schloss die Augen und massierte sein müdes Gesicht mit beiden Händen. Schließlich stieß er einen leisen Fluch aus, den er seit seiner Zeit als Straßenkind nicht mehr gebraucht hatte, und entschied sich, seiner alten Gewohnheit zu folgen, und zu tun, was er für gewöhnlich in solchen Situationen tat: Er unternahm einen Rundgang durch sein Schiff.
    Kurz darauf trat er in voller Uniform und mit dem Sakedo am Gürtel auf den Korridor. Auch zu dieser späten Stunde begegnete er noch Mitgliedern der Mannschaft; Telios nickte ihnen knapp zu und ließ sie mit ihren Tätigkeiten fortfahren. Er entschied sich für die alte Route: den Korridor mit den Offiziersquartieren entlang, dann ein Deck tiefer, vorbei an der Kombüse, der Messe und den Trainingsräumen.
    Zu seiner Kadettenzeit hatte er oft in schlaflosen Nächten wie diesen seine Runden auf dem Exerzierplatz gedreht, unter freiem Himmel, mit frischer Luft in den Lungen, die seinen Geist klärte.
    Aber die ewig gleichen, weiß gestrichenen Korridore der Dragulia , der künstliche

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