Rückkehr nach Kenlyn
selbst gesehen, wie sie durch die Trümmer von Shannashai rannte und dabei seinen Namen rief. Und er hatte ihr geantwortet. Sie war dem Klang seiner Stimme gefolgt, bis zu einem Bauwerk, wo sie ihn gefunden hatte – oder seine Überreste.
Manchmal sahen Leute in ihren Träumen die Zukunft ...
Endriel musste gegen den Kloß in ihrer Kehle ankämpfen, bevor sie sprechen konnte. »Und wenn er nicht mehr hier ist, Nelen? Wenn ich ihn nie wiedersehe?«
»Du wirst es garantiert nie erfahren, wenn du dich weiter hier drin verbarrikadierst! Auf diesem Planeten scheint wirklich einiges anders zu laufen als Zuhause, wenn ich ausgerechnet dir das sagen muss!« Nelen klatschte in die Hände. »Also – wenn du nicht gleich deinen Arsch bewegst, muss ich meine Hörner benutzen!«
Endriels rechter Mundwinkel zuckte widerwillig. »Manchmal kannst du wirklich ein Quälgeist sein.«
Die Yadi ließ ihre spitzen Eckzähne blitzen. »Ich hatte ja auch eine gute Lehrerin. Komm schon, du weißt, dass ich Recht hab.«
Endriels Blick maß Nelen, von den perlweißen Hörnern bis zu den bandagierten Füßen. Wieder wurde ihr klar, wieviel Tapferkeit in diesem winziger Körper stecken konnte. »Ja, das weiß ich.«
»Na, also. Wir verlassen uns auf dich – Kai verlässt sich auf dich. Und du solltest uns besser nicht enttäuschen. Hab ich mich klar ausgedrückt?«
Endriels Lächeln wurde stärker. »Hast du.«
Nelen sprang in die Luft und zog an Endriels Haaren. »Dann steh endlich auf und beweg dich zur Brücke. Keru warte.«
»Ist ja gut!« Endriel setzte sich auf und griff nach ihrer Hose. »Aber nur, damit du endlich Ruhe gibst.«
Zufrieden lächelnd sah Nelen zu, wie ihre Freundin sich anzog, und ließ die Füße über der Bettkante baumeln. »Der Landschaftsarchitektenwitz war ziemlich gut, oder?«
»Nein.«
»Komm schon! Miko hat Tränen gelacht, als ich den vorhin an ihm ausprobiert habe.«
»Tränen der Verzweiflung.« Als Endriel sah, wie Nelen beleidigt das Gesicht verzog, konnte sie nicht anders, als zu lachen. »Danke, Nelen.«
»Keine Ursache, Kapitän.«
» Ex -Kapitän.«
»Nicht mehr lange«, versprach Nelen. »Glaub mir, ich kann die Meuterei direkt riechen!«
Endriel wusste nicht mehr, wann sie zuletzt etwas gegessen hatte. Natürlich quälte sie Hunger, doch ihr fehlte der Appetit. Und sie hatte Durst, schrecklichen Durst. Also begab sie sich in die Kombüse, leerte vier Tassen kalten Tees und zwang sich, etwas Kürbiskernbrot runterzubekommen, bis sie schließlich glaubte, stark genug für den nächsten Schritt zu sein.
Es kostete sie einige Überwindung, die Brücke zu betreten. Obwohl sie Nelen an ihrer Seite hatte, fühlte sie sich nackt, wehrlos und schwach.
Als sie die Tür aufzog, überflog die Korona gerade eine Reihe Türme, die aus den Dünen herausragten. Die Sonne schien schwächlich durch die neblige Atmosphäre. Am fernen Horizont schien ein Gebirge zu wachsen.
Sofort wandten sich alle Blicke in ihre Richtung.
»Guten Morgen, Kapitän!«, sagte Miko mit verschnupfter Nase. Er stand immer noch hinter dem Steuer, nachdem er Keru letzte Nacht abgelöst hatte. Der Duft von ätherischen Ölen und Salbei ging von ihm aus – Xeah schien sich also bereits um seine Erkältung gekümmert zu haben, so wie sie augenscheinlich das Bein des Skria neu verbunden hatte.
Letzterer stand neben dem Jungen, die haarigen Arme vor der pelzigen Brust verschränkt. Er sah Endriel nur kurz an, wobei er ein leises Knurren von sich gab, das wie ein dahin gemurmeltes »Morgen« klang. Wie es aussah, hatte sich seine Wut abgekühlt, wenn auch nur um ein paar Grad.
Xeah saß auf dem rechten Diwan, die Hände in den Ärmeln ihrer Robe versteckt. Ihr Gesicht zeigte keine Regung, als ihre Blicke sich trafen, und Endriels Magen schrumpfte zusammen. »Wie geht es dir, Xeah?« Sie hatte keine Ahnung, wie sie es geschafft hatte, die Worte herauszubringen.
»Danke. Gut«, antwortete die Heilerin knapp. Dann sah sie weg – es schmerzte Endriel mehr als alle Vorwürfe.
Schweigen breitete sich aus.
»Ich glaub’ es nicht!«, piepste Nelen und sprang in die Luft. »Ich habe Beerdigungen mit sonnigerer Stimmung erlebt! Redet miteinander, verdammt! Wir sind eine Mannschaft – und wir haben niemanden außer uns!«
Miko wischte sich die laufende Nase mit dem Ärmel ab und senkte schuldbewusst den Blick. Kerus Miene blieb wie versteinert. Auch Xeah reagierte nicht.
Nelen schüttelte enttäuscht den Kopf. »Ich muss mich
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