Rückkehr nach Kenlyn
Schein der Lichtkugeln und die wiederaufbereitete Luft waren nur ein schlechter Ersatz dafür. Und so gab es wenig, das ihn von seinen Gedanken ablenkte. Lautsprecherdurchsagen und Schritte in angrenzenden Gängen nahm er kaum wahr. Nur eines war von Bedeutung: Syl Ra Van musste aufgehalten werden.
Aber wie konnte man einen Gott absetzen?
Mit auf dem Rücken verschränkten Armen passierte der Admiral zwei menschliche Wachen, die so eilig in Habachtposition schnappten, dass das Knallen ihrer Stiefel den Gang hinab hallte. Telios murmelte ein »Stehen Sie bequem« und ließ die beiden hinter sich. Er hörte sie miteinander flüstern, aber er konnte die Worte nicht verstehen.
Ihm war klar, dass er allein keine Chance hatte. Einzig ein Misstrauensvotum der Fünf Admiräle konnte den Gouverneur seines Postens entheben – in der Theorie. Aber Telios war sich bewusst, dass sein Stern im Sinken begriffen war: Sein Wort hatte längst nicht mehr dasselbe Gewicht wie früher. Was er brauchte, war ein Verbündeter; jemand, der ihm half, wenigstens noch einen anderen der Admiräle von seiner Sache zu überzeugen. Die verbliebene Admiralität würde überstimmt sein und der Gouverneur hatte sich der Mehrheit zu fügen.
Ein Verbündeter. Seit einem halben Jahr suchte er nach einem solchen.
Es war fast zum Lachen: er wusste, dass er unmöglich der einzige im Orden sein konnte, der die Integrität des Gouverneurs in Frage stellte. Aber wenn andere das gleiche dachten wie er, dann zogen sie es vor zu schweigen, aus Angst, sich des Hochverrats schuldig zu machen. Aus Angst vor der Kommission, die er selbst geschaffen hatte. Allein der Verdacht auf Untreue konnte in diesen Zeiten das Leben eines Ordensmitglieds ruinieren.
Selbst wenn er jemanden fand, der seine Zweifel teilte, würde dieser Jemand Telios’ Worte wahrscheinlich für einen Versuch halten, seine Loyalität zu testen. Es kursierten genug Gerüchte über den Schattenjäger und seine Methoden. Niemand würde ihm trauen.
Und selbstverständlich gab es noch die ebenso wahrscheinliche Variante, dass man ihn selbst an den Gouverneur verriet. Das galt natürlich besonders dann, wenn sein Gesprächspartner dem Kult angehören sollte, denn es sicherte seinem Agenten Syl Ra Vans Vertrauen.
Dann war da noch Varkonn Monaro. Ob der Bastard nun auf der Lohnliste des Kults stand, oder einfach nur ein fanatischer Weißmantel war, wie auch er selbst vor nicht allzu langer Zeit – fest stand, dass seine Agenten überall lauerten.
Aber noch hatte er, Telios, die Gelegenheit, all seine verräterischen Gedanken zu vergessen. Noch gab es einen Weg zurück. Noch konnte er schweigen.
Wie jeder Friedenswächter hatte er einen Eid geschworen. Doch auf die Hohen Völker, nicht auf Syl Ra Van.
Er sah nur eine einzige, im wahrsten Sinne des Wortes winzige Chance; eine Person, bei der er sich weniger sicher war als bei den anderen, ob sein Misstrauen in sie gerechtfertigt war. Er musste persönlich mit ihr sprechen, sie irgendwie aushorchen. Wenn er ihr in die Augen sah, würde er es wissen, ganz sicher.
Welche Alternative blieb ihm schließlich?
»Admiral auf der Brücke!«, meldete Quai-Lor. Erst jetzt erkannte Telios, wohin ihn sein Weg unbewusst geführt hatte.
Er entließ die umgebende Besatzung mit einem knappen Nicken aus ihrem Salut und sah sich zwischen den weiß gekleideten Wesen und blinkenden Konsolen um. Voraus schien die Nacht das Flaggschiff mit einem Maul voller Sterne verschlingen zu wollen; er erinnerte sich noch sehr genau, wie er zum allerersten Mal hier gestanden hatte, im Haupt des mächtigsten Drachenschiffs der Welt, und sich dabei unbesiegbar vorgekommen war. Nun erschien ihm die ganze Maschine mehr und mehr wie ein Gefängnis.
Telios wandte sich dem jungen Draxyll zu. »Ich nehme an, es gibt weitere schlechte Nachrichten, Kommandant?«
»Zu viele, Admiral«, antwortete Quai-Lor. Er schien den Schlaf genauso nötig zu haben wie Telios – wie jeder, den der Admiral auf seinem Weg begegnet war – und sein Blinzeln verriet Verwunderung über das nächtliche Erscheinen seines Kommandierenden. »Ich fürchte, mittlerweile ist es auch in Harassadan zu blutigen Aufständen gekommen.«
Telios’ Stimme klang trocken. »Dann wird man uns wohl einen warmen Empfang bereiten, wenn wir dort ankommen.«
Quai-Lor hatte bereits seine graue Hand nach einer Aktenmappe auf der Hauptkonsole ausgestreckt: Mitschriften der an Bord eingegangenen Kommuniques. »Möchten Sie die
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