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Rückkehr nach Kenlyn

Rückkehr nach Kenlyn

Titel: Rückkehr nach Kenlyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dane Rahlmeyer
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nicht gerade aufmunternd. Die Küste im Osten und das schwarze Meer, das sich dahinter anschloss, waren nur zu erahnen, während der Nebelschleier fast die Scheinwerferstrahlen der Korona schluckte, sodass Endriel sich lieber auf den Schiffskompass verließ als auf ihre Augen. Sie überlegte, Kai zu bitten, sie noch einmal in die simulierte Welt des Eidolons zu begleiten, wo es wenigstens etwas Farbe gab; Gras, einen blauen Himmel und Leben. Vielleicht konnten die anderen sie dabei begleiten?
    Sie bemerkte den kleinen Berg erst, als dieser sich halb aus dem Nebel geschält hatte: eine düstere Silhouette, fast glockenförmig mit ihrer breiten Basis und der sich verjüngenden Spitze, die mitten im Nichts stand; er war vielleicht neunzig oder hundert Meter hoch, wie sie schätzte.
    Endriel stutzte. Das war kein Berg. Dafür war seine Form zu symmetrisch; und irgendetwas an dem Gebilde kam ihr bekannt vor, ohne dass sie es richtig einordnen konnte. Mit Sicherheit war es keine der üblichen Ruinen, die sie bislang hier gesehen hatten – weder die Überbleibsel einer Kristallstadt, noch die Trümmer eines Pagodenwaldes der Draxyll. Doch Dunkelheit und die vernebelte Atmosphäre verhinderten, dass sie auf diese Entfernung weitere Details erkennen konnte. Verdammt, sie kannte dieses Ding, aber woher?
    Endriel stoppte die Korona , bevor sie über das ... was immer es war ... hinweg flog. Zu gleichen Teilen von Neugier und Verwirrung gepackt, ließ sie das Schiff herabsinken und sich dem Objekt langsam nähern. Lichtlanzen kämpften sich durch schwirrende Partikel und beleuchteten graues Gestein. Mauerwerk. Edelsteine.
    Erst als die Augen einer Riesin sie anstarrten, begriff Endriel.
    »Xeah?« Endriel klopfte ein weiteres Mal; das Geräusch ihrer Knöchel auf dem Türholz kam ihr fast so laut vor wie das Pochen in ihrer Brust. »Xeah, ich bin es.«
    » Was ist los? «, brummte Keru, und Endriel schreckte zusammen, als der Skria aus seinem Quartier trat und den Kilt zuknöpfte. Seine Ohren zuckten, als er durch das Bullauge sah. Natürlich hatte er längst die deaktivierten Antriebe bemerkt. »Wieso sind wir gelandet? Wo –?«
    Da öffnete sich die Tür zu Xeahs Quartier. Die Heilerin sah so elend aus, so alt und schwach wie nie zuvor. Der Anblick stach Endriel ins Herz.
    »Endriel«, sagte Xeah. Auf ihrer grauen, mosaikartigen Haut waren feuchte Spuren zu sehen, die von ihren Augen herabführten.
    »Xeah. Entschuldige, dass ich dich aufwecke.«
    »Es ist schon gut«, sagte die Draxyll. Es war offensichtlich, dass sie log. »Ich ... habe nicht geschlafen. Warum sind wir gelandet? Sind wir etwa schon da?«
    »Nein, noch nicht«, sagte Endriel sanft. »Aber ich habe etwas gefunden. Und ich glaube, es könnte dich interessieren.«
    Xeah sah erst blinzelnd zum Bullauge, das nichts als Nacht zeigte, dann zu Keru, der nur grimmig und verschlafen mit den Achseln zuckte. »Wo sind wir, Endriel?«
    Endriel gestattete sich ein wissendes Lächeln. »Im Schoß der Prophetin«, antwortete sie. »Wortwörtlich.«
    Sie half Xeah, sich einen gefütterten Mantel überzuziehen, dann nahm sie den Arm der Draxyll und begleitete sie zur Außentür. Schals schützten Endriels Mund und Xeahs Schnabel vor dem herumfliegenden Staub. Auch Nelen und Miko hatten mittlerweile gemerkt, dass etwas vor sich ging: Endriel sah den Jungen – nur mit Hemd und langer Unterhose bekleidet – am Ende der Wendeltreppe ein Deck über ihnen stehen, mit Nelen auf seiner Schulter. Beide rieben sich den Schlaf aus den Augen.
    »Kapitän, was ist los? Wo gehen Sie hin? Sollen wir mitkommen?«
    Endriel wollte antworten, aber Nelen hatte längst begriffen und hielt ihn zurück. »Lass nur, Miko. Besser, wir warten hier.«
    »Warum?«
    »Darum.«
    Endriel nickte Nelen dankbar zu, dann fuhr sie die Gangway aus und öffnete die Außentür. Sie stützte Xeah auf ihrem Weg nach unten; es ging kaum Wind, aber es war kalt und sie spürte die Heilerin zittern.
    Sie hatten keine drei Schritte nach draußen getan, als Xeah den Kopf reckte. Und erschrak.
    »Xal-Nama«, flüsterte sie ehrfürchtig und fiel auf die Knie.
    Der Kopf einer riesenhaften Draxyll blickte auf sie herab, mit Augen, die aus Tausenden von Obsidianen bestanden. Sie hatte den Hals gekrümmt, sodass die Spitze ihres Schnabels beinahe die Korona berührte, während ihr Horn weit in den Nachthimmel aufragte. Irgendwo am westlichen Horizont zuckte ein Blitz, und sein Licht fing sich auf den wenigen Edelsteinen, die

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